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verhältniß1näßig wenig zahlreichen Vervielfältigungen von solchen schwierigen
Originalen, die ehede1n in Kupfer gestochen worden wären, nun aber
photographirt werden. Denn ebenso der Umstand, daß der Stich eines
solchen Werkes Tausende von Thalern kosten würde, während die negative
Platte für eine hiergegen verschwindende Summe herzustellen ist, wie nicht
minder der, daß nur eine kleinere Zahl von Abdrücken Liebhaber finden
werden, lassen die photographische Vervielfältigung, die so schnell zu
machen ist, und die das Original so überaus treu wiedergiebt, als besoni
ders geeignet erscheinen. Manches Werk, welches ehedem nicht gestochen
worden wäre, findet jetzt so auch seine Vervielfältigung, und wenn etwa
zeitweise viele der nachbildendeu Künstler sich durch die Photographie
bedroht sahen, so gleicht sich das Verhältnis; mehr und mehr aus, und
schließlich gewinnt doch nur die Kunst, ja selbst die Gefahr für einzelne
Künstler schwindet, sobald die Kräfte dem neuen Bedürfnis; entsprechend
vertheilt sind. Von einer Beseitigung des Knpferstiches, geschweige gar
des Holzschnittes oder des Steindruckes, durch die Photographie kann nur
der Unverstand sprechen, denn keine der nachbildenden Künste ist für die
Kunst entbehrlich oder durch Anderes, das ihr Wesen doch nie ganz trifft,
zu ersetzen. Und grade der Kupferstich wird nie zu umgehen sein, wo es
sich um Wiedergabe inhaltlich bedeutender Werke in würdigster Weise
handelt, denn der Geist des nachbildeuden Künstlers lebt in einem solchen
Stiche und verleiht ihm eine Weihe, welche die Photographie nie erreichen
kann. Was zu Gunsten der Photographie in Bezug auf Vervielfältigung
echter Kunstwerke spricht, ist dies, daß einzelne oder wenige Copien leicht,
schnell und verhältnißmäßig sehr billig angefertigt werden können, so daß
man die Photographie wählen wird, wo es sich nurcnm geringen Bedarf
von Copien handelt. Jst dieser aber größer, so gleicht sich der Kosten:
punkt aus, und jede daraus entspringende Rücksicht für die Photographie
fällt weg, so daß nur die künstlerische Angemessenheit über die Methode
der Vervielsältigung entscheidet.
F;3tec:lRwec Ueberblicken wir den ganzen Schatz dessen, was die naehbildenden
Künste uns bieten, so erkennen wir als ihren ersten und vornehmsten
Zweck die Einführung der Kunst in das Leben. Während in
Museen und Palästen die kostbaren Werke nur zu immerhin beschränktem
Genusse da sind, während nur der Bemitteltere seinen Wanderstab zu fernen
Denkmälern und Kunstwerken richten kann, tragen die Drucke in der ver:
schiedensten Weise die Anregung und die Liebe zur Kunst in alle Schichten
des Volkes, und bringen als einfacher Holzschnitt oder als kleines photo:
graphisches Blättchen dem Arbeiter eine ähnliche uneigennützige Freude,
wie ein kostbares Gemälde dem Reichen gewährt. Die sociale Kraft der