der
Plastik
Renaissance.
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mäler in S. Lorenzo zu Florenz zu fertigen, die zwei sitzenden Fürsten
und die Gestalten des Tages und der Nacht, der Morgen: und Abend:
dämmernng, Werke von mächtiger Kraft der Charakteristik, aber auch Zeugnis
für des Künstlers Unbekümmertheit, dem Großartigen und Ueberkrästigen
den Reiz des Schönen zu opfern. Michelangelo starb hochbetagt zu Rom
und ward zu S. Croce in Florenz bestattet.
Der S. 79 als Baumeister erwähnte Jacopo Tatti, nach seinem Lehrer
Andrea gleichfalls Sansovino genannt, ist zugleich der beste Bildner
von Venedig im 16. Jahrhundert, ein Künstler reich an Gedanken, von
edler, maßvoller Schönheit.
Von Lionardo da Vinciis bewundertem Reitersiandbild des Franceseo Sforza
ward 1499 das Modell zerstört. Michelangelos Zeitgenossen und Nachfolger erlagen
der Versuchung, dessen Vorbild im Gewaltsamen und Wirkungsvollen nachzuahmen.
Die bedeutendsten Künstler jener Zeit außer Michelangelo sind dessen Schüler: der
Niederländer Giovanni da Bologna aus Douai, 1524ss1608, dessen Haupt:
werke sich zu Florenz und Bologna finden, Michelangelos Nebenbuhler Baccio
Bandinelli, 1487ss1559, vornehmlich thätig in seiner Vaterstadt Florenz, und
der als Erzgießer CPerseusJ, Gold: und Silberschmied geseierte Florentiner Bett:
venuto Cellini, 1500s1570, eine Zeit lang auch in Frankreich thätig. Seine
merkwürdige selbstversaßte Lebensgeschichte verdeutscht von Goethe.
Die Bildnerei des 17. Jahrhunderts nimmt Theil an dem Bestreben der Bau:
kunst und Malerei, auf möglichst glänzende Wirkung hinauszuarbeiten; an Stelle
der edeln Einfalt, der reinen Schönheit der früheren Schöpfungen tritt das Bemühen
nach malerischer Wirkung, nach leidenschastlicher Bewegung; Bildung und Bewegung
der Gestalten erscheinen übertrieben oder geziert, die Gelvandung flatternd und
bauschig. Hauptmeisler dieser ungesunden Plastik ist der als Baumeister in gleicher
Richtung thätige Lorenzo Bernini is. S. 79J.
Z. 84. Mit dem Beginn des 15. Jahrhunderts regt sich auch im
Norden das Streben, die Plastik von den Banden des mittelalterlichen
Kirchenstils zu lösen, Gestalten, Gesichter, Gewandungen mit voller Lebens:
wahrheit zu bilden. Jedoch erreicht die nordische Bildnerei nicht die
Höhe der italienischen, weil ihr die Anschauung der Antike fehlt, und
weil die deutsche Kunst mit ihrem Streben nach Darstellung des Phan:
tastischen und Leidenschaftlichen der ruhigen Würde der Plastik wider:
strebt; erst mit dem Vordringen der italienischen Renaissance, Anfang des
16. Jahrh., und der Nachahmung italienischer Vorbilder zeigt sich, be:
sonders in Grabdenkmalen, eine Vereinigung frischer Lebenswahrheit Und
maßvoller Schönheit. Aber auch jeSt bleibt die Plastik im Wesentlichen
an die Kirche gefesselt und steht an Reichthum der Entwickelung außer:
ordentlich zurück hinter der italienischen Kunst. Es wirkt dabeiimit der
Mangel des Marmors und die Ungunst des nordischen Klin1as; der
Humanismus mit seiner heiteren Sinnlichkeit hatte in Deutschland viel
geringeren Eingang in den höheren Kreisen gefunden, als in Jtalien;
bei Fürsten, Adel und Stadtgemeinden herrschte vielfach ein kleinlich
karger, gegen die Kunst gleichgültiger Sinn, der Kirchenstreit hielt alle
Gemüther befangen, die Reformation entzog der Kunst eine große Menge
von Lieblingsgegenständen der Darstellung, trat ihr im GegensaZ zu dem
kunstfreudigen Katholizismus gleichgültig, sogar bisweilen feindlich gegen:
über. So welkt die deutsche Renaissance, nachdem sie sich kaum und mit
Mühe von der Gothik losgerungen, rasch wieder ab.