Anblick etwas die Phantaße Befruchtendes. Das Poßtibe
ist in unsern Augen, ich möchte sagen, zu materiell.
Das ist es auch, weßhalb die großen modernen Städte,
trotz all ihres Glanzes und der Menge des Bewunderns:
werthen, das sie uns bieten, uns Künstler kalt lassen
und nicht zu inspiriren vermögen. Ich habe ein Quartier
besucht, das ich noch nicht kannte, den Ghetto. Sie
wissen, daß man beinahe in allen Städteu Italiens die
Juden auf enge Grenzen confinirte, aus denen Nr nicht
heraus durften. Sie bilden deshalb auch hier weit mehr eine
besondere Corporazion, als in unsern Ländern, in denen
sie wohnen können, wo es ihnen beliebt. Daher der
außerordentlich n1arkirte Character, den sie sich hier be:
wahrt haben. Ich habe herrliche Köpfe gesehen, die vor:
treffliche Modelle zu Phhsiognoinien von großartigem
Gepräge liefern würden. Ich sah Priester, Propheten,
Josephs, und unter den Frauen Iudith7s, Rebekka7s und
selbst Madonnen. Ich muß gestehen, daß ich bei diesen
Beobachtungen nicht umhin konnte, den unsterblichen
Raphael weit unter der Natur zu finden und es scheint
mir, daß er bei seiner erhabenen Anschauungsweise weit
größere Wirkung hervorgebracht, wenn er allen seinen
jiidischen Vorwürsen den Character gegeben, den die
Natur bietet. Freilich hat er vielleicht zu seiner Zeit
nicht wie in der unserigen die Gelegenheit gehabt, ganze
Haufen dieses eigenthümlichen Volkes aus einem Punkte
vereinigt zu sehen, dieses Volkes, das, trog seiner Zer:
sireuung, einen so auffallenden Typus bewahrt hat nnd
dein Nachdenken so vielen Stoff .bietet. Ich würde es
nicht wagen, irgend Jemandem, als Ihnen, diese Beinen
kungei1 mitzutheilen, die leicht sehr diinkelhaft ersäjeinen