Auf
dem
Lande.
Anschaulich berichtet Stieler nach seinen Quellen weiter über den
Aufenthalt des Knaben: ,,An heißen Sommertagen, wenn es Abend
ward, zogen die Knechte mit den Pferden hinaus aufs Feld zur nächt:
lichen Weide; da war er ihr ständiger Begleiter. Unter einer der
großen Eichen, wie sie auf offener Halde stehen, ward Feuer geschürt,
und im Kreise lagerten sich die Männer, in ihrer Mitte der lauschende
Knabe. Sprühend stoben die Funken, die Zweige knisterten und rauschten,
11uerIneßlich dehnte sich der Himmel mit seinen Sternen. Man hörte
das ferne Wiehern der Rasse und den lauen Nachtwind, wie er mit
kurzen Stößen über die Haide fuhr; fieberhaft erregte sich seine Phan:
tafie. Wars doch das alte Sachsenland, wo Wittekind einst seine
Streiter gegen Karl den Großen führte, wo der gern1anische Geist sich
trotzig zur Wehre setzte gegen den neuen Glauben, wo die Hüneu:
gestalten jener Männer noch heute inI 2Nunde des Volkes lebenl Da:
von erzählten die Männer dem wis3begierigen Knaben, sie wußten so
manche Sage vom großen Kaiser, der in Aachen begraben liegt, und
dem sächsischen Helden, wie er nach Jütland flüchten mußte; hier empfing
er, wie er oft gestand, die ersten Keime zu jenem gewaltigen Bilde,
auf dem sich Wittekind an Karl ergiebt, zu jener Prachtgestalt des ersten
deutschen Kaisers, der mit wallendem Bart auf dem Throne sitzt. So
manches Meisterwerk, vor dem wir heute stehen es sind Erinne:
rungen der roten Erde. Dann aber, wenn die Rasse sich weit ver:
laufen hatten und die Knechte gingen, um sie draußen wieder zu suchen,
dann ließen sie ihn allein zurück vor dem ausgebrannten Feuer, und
daß er ihnen nicht entweiihe, schnürten sie ihn in einen Sack, der oben
gebunden war; so lag er auf dem Rücken, in die Sterne schauend,
während das wilde Heer geheimnisvoller Gestalten über seine Seele
dahinzog. Es waren nicht Gedanken, es waren nur Träume, noch ahnte
seine Hand nicht die bildende Kraft, die in ihr verborgen lag. Ohne
zu lernen, ohne daß ein Führer ihm in den Weg trat, lebte.er die
Tage dahin, einsame Sommernächte und einsame Winternacht.tt
Über1nächtig mußten solche Eindrücke auf die Seele des träumenden
Knaben einwirken, die sich ohnehin, bedrückt von den vielen Leiden des
tägliche1i Lebens, nach Außergewöhnlichetng sehnte, und je mehr geschicht:
Eiche und sagenhafte Erinnerungen in der Umgebung sich boten, desto
freier, fröhlicher und furchtbarer flog seine Phantasie auf kühnen
Schwingen dahin. Und an vielseitigster Nahrung fehlte es in der That
UkcJt. So lag, auf das leichteste erreichbar, in der Nähe von Stadt:
berge oder Marsberg gleich die alte Sachsenfeste Eresburg. Die blauen
Berge mit ihren verwitterten Burgen, die dunkeln Tannenwälder und
die schattigen Eichenhallen, die er überall vor Augen hatte, wurden