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Kunst im
Jahrhundert.
Hauptgewerbe trieben. Aber auch wenn die Namen sich erhalten hätten, würden wir einen
Aufschluß über die Persönlichkeiten der Stecher nicht empfangen. Noch waltet eine gleichmäßige
Auffassung der Dinge vor, noch wagt sich die besondere Empfindungsweise der Künstler nicht
ungehindert an den offenen Tag. Sind wir doch gar nicht sicher, ob die Stecher in der Regel
die Blätter selbst erfauden. Es ist bezeichnend, daß schon früh ein Stecher den anderen ko:
pierte. Wir sind, da die Formenfprache gleichfalls eine Verwandte ist, wesentlich nur auf die
feinen technischen Unterschiede angewiesen, um die Stiche zu ordnen nnd ihre Herkunft zu er:
raten. Um das eine oder das andere Hauptblatt gruppieren wir die technisch verwandten Stiche
nnd sondern auf diese Art den Meister der Spielkarten von dem des h. Erasmns nnd dem
der Liebesgärten; oder wir heben ein änßeres Wahrzeichen, das sich auf einzelnen Blättern
vorfindet, hervor nnd sprechen von einem Meister mit den Bandrollen. Oder wir halten
uns endlich an die Monogramme, mit welchen einzelne Stecher ihre Stiche bezeichneten, ähu:
lich wie die Goldschmiede ihre Werke mit Marken versahen.
Unter den Monogrammisten, welchen bald nach der Mitte des 15. Jahrhunderts ihre
Thätigkeit übten, steht der Meister E. S., um das Jahr 1466 blühend, in erster Reihe. Er
entwickelt nicht allein eine große Fruchtbarkeit und in den Gegenständen der Darstellung eine
überraschende Vielseitigkeit, sondern zeigt sich auch in dem technischen Verfahren wohl geschnlt.
Führt er auch den Grabstichel in der alten feinen Weise der Goldfchmiede, so weiß er doch
namentlich in Blumen, Ranken, Tieren die Striche kräftig nnd tief zu ziehen. Fehlt es auch
der Zeichnung, den Maßen häufig an Richtigkeit, erscheinen die Arme zu schmal, die Finger
zu dünn, die Köpfe zu groß, so offenbaren doch die Figuren eine lebendige Bewegung, die Ge:
sichter einen ausdrucksvollen Charakter CFig. 4 n. 5J. Einzelne seiner Blätter, wie, außer dem
s2Kartenspielecc und der ::Patenacc, insbesondere pdie Anbetung der Königec:, pdas Urteil Sa:
lomonisc, vder,Löwentöter Sinisoncc, haben keineswegs nur ein historisches Interesse. Der
Meister E. S. gehört aller Wahrscheinlichkeit nach dem Mittelrhein CMainzPJ an. Andere Stecher
werden aus stilistischen Gründen dem Niederrhein, Nürnberg u. s. w. zugeschrieben. Auch in den
Niederlanden erfreute sich die Kupferstichkunst einer eifrigen Pflege. Eine neue Epoche trat für
sie ein, als sich mit den siebziger Jahren namhafte Künstler, gleichzeitig Maler und Stecher
von Beruf, ihr zuwandten, und so zwischen den Schöpfungen der Malerei nnd den Werken
des Grabstichels eine feste Brücke geschlagen wurde.
Während sich die Phantasie im Holzschnitte nnd Kupferstiche eine neue Kunstgattung er:
oberte, hat auch die Kunst der Malerei tiefeingreifende Wandlungen erfahren. Das Tafelbild
gewinnt von Geschlecht zu Geschlecht immerimehr an Bedeutung und nimmt die künstlerische
Kraft immer a11sschließlicher in Anspruch. Der Aufschwung der Tafelmalerei hängt mit der
Umwandlung der AltarauffäHe in Altarschreine und Flügelaltäre zusammen. Zum Schmucke der
Altäre verbanden sich gewöhnlich die HolzschniHer mit den Tafelmalern. Während jene den
Mittelschrein mit einem Reliefbilde füllten oder Rundfignren in ihm aufstellten, blieben diesen
die Flügel oder Thüren überlassen. Die Aufgabe bedingte eine größere Zahl von Darstellungen;
die ganze Pafsionsgeschichte, das Leben Marias oder die Hauptszenen aus dem Leben Jesn
werden in kleinem Maßstabe auf zahlreichen Feldern dem Auge vorgefiihrt. Neben den Altären
kamen allmählich auch selbständige Tafelbilder LVotivbilderJ in Gebrauch; doch überwiegen in
der ältesten Zeit, bis tief in das 15. Jahrhundert, an Zahl wie an Bedeutung entschieden
die Altäre.
Schon im Laufe des 14. Jahrhunderts kündigt sich in einzelnen leiser: Zügen die neue
Richtung, das Streben nach größerer Na.türlichkeit, an. Die Trachten, die Bauten des Hinter:
grundes nähern sich der Gegenwart; an der Wiedergabe der Ncbendinge merkt man die genauere