Baudry.
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der klassischen Kunst nach der Natur selber gemalt war. Am Fenster, in
athen1lose1n Schrecken zusammengedrückt, steht bleich und entseHt über die
eigene That die jugendliche Cordah; in den starren Zügen und der straften
eingesogenen Körperhaltung spricht sich ihre Seelenangst tresfend aus. Den
engen Raum erleuchtet ein kaltes grelles Tageslicht mit einfallendem
Sonnenstrahl; die.That liegt offen vor den Augen der Welt, sein Ziele;
licht, kein Helltunkel schwäcbt sie ab. Das war offenbar die Absicht des
Künstlers, indem er sich an die Wirklichkeit nicht kehrte, da ja bekanntlich
die Handlung des Abends vor sich ging. Ganz nuversd7leiert sollte das
Entsetzliche der That, ja durch den Kontrast der Beleuchtung nur um so
eiuschneidender wirken. In derselben Absicht wol ist das Beiwerk mit voller
Natnrtreue in seiner ganzen modernen Nüchternheit wiedergegeben; Alles
drängt sich mit scharf ausgeprägter Bestimmtheit in7s Auge. Also mit voller
gegenwärtiger Gewißheit soll die Scene den Beschauer packen. Aber die
Darstellung ist über das Ziel hinausgetrieben; zwischen den Figuren und
Dingen, die den gleichen Werth haben, schweift der Blick unstet hin und
her nnd kann sich nicht sammeln. Andrerseits erhebt uns nichts über die
schneidende Wirkung des Gräßlichenz der Bangigkeit des erschiitterten Ges
müths ist die Macht der sittlichen Leidenschaft nicht entgegengehalten, kein
Hauch von Seelengröße ,verföhnt mit der schrecklichen That. Und da der
Künstler das Mittel nialerischer Stimmung verschmäht hat, so überrascht
das Bild nur, ohne den Blick zu fesseln und in sich hineinznziehen. Hi;
storifch ist es ohnedem nicht, da es sich auf den Ausdruck einer subjektiven
Empfindung beschränkt worin,es übrigens von dem effeltvollen Pathos
des französischen Wesens nicht frei bleibt nnd durch die Behandlung
des Details in das Sittenbildliche übergeht. Jnsofern liefert es uns einen
neuen Beweis, wie wenig die jüngste Malerei zur eigentlich historischer:
Kunst befähigt ist. Ein energisches Erfassen der Natur und eine getvandte
Hand in der 1nalerischeu Ausführung lassen sich ihm nicht absprechen s.
Jene Fähigkeit, der Natur von Seiten ihrer realen Bestimmtheit bei3us
kommen, ist namentlich auf die Bildnis s e Baudrh7s von furchtbarem Eins
fluß gewesen. Auch in diesem Fache hat er vielen Erfolg, wenn er gleich
in der Auffassung nicht immer glücklich, in der Behandlung bisweilen um:
nierirt ist. Eines seiner besten Portraits ist dasjenige Gnizot7s. Lebendig
durch die Verbindung einer tüchtigen Zeichnung mit sattem Kolorit gibt
es den Mann in seiner eigenen Individualität wie im Charakter der Zeit
wieder.
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