Die franzöf1sChe Malerei im Vergleich zur deutschen.
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standest zuriiciiritt. Und um so größer ist der Einfluß der Darstellungs1veise
überhaupt auf den Charakter nnd die Entwicklung der Malerei, je mehr
sie einerseits, wie schon bemerkt, die Kunstformen früherer Epochen auf:
nimmt und verarbeitet, andrerseits sich in neuer und eigenthiimlirher Bei
handlung versucht. Endlich wird ihr Laus durch das lebendige WechselfpieI
bedingt, in welchem diese verschiedenen Formen und jene verschiedenen
Stoffe sich gegenseitig bestimmen nnd in den Einklang zu kommen suchen,
der das Wesen aller Lichten Kunst ausmacht.
Namentlich zeichnet sich die sranzösische Malerei durch eine tüchtige
Entwicklung des ,for1nalen Ele1nentes aus, welche in ihren gcschichtlichcU
Fortgang eine geschlosseue Folge, System und Zuscnnmenhaug bringt. Sie
thut es darin der Deutschen weit zuvor, die sich vielmehr in die Breite
der Stosfivelt zersplittert und nur zu oft dem Gewicht derselben unterliegt,
weil es ihr an dem Halt der sormalcn Ausbildung nnd daher an dem
Mittel, den Stoff zu beherrschen, gebricht. Mancherlei wirkte in Frankreich
zu jenem günstigen Verhältniß der Dinge zusammen: das eingcborene Form:
talent des Stammes, der ihm eigenthii1nliche malerische Blick, der sich in
der neuen Epoche noch mehr, als in den früheren, bewährt hat, dann auch
die no:h in die neue Zeit heriiberreichende Fortdauer der technischen Ueber:
lieferung, die nicht so vollständig abgerissen war, wie in Deutschland;
endlich der durch die Ceutralisation bewirkte Zusam1neuhalt und Wetteiser
der Kräfte, die Ausbildung der Anschauung, der Kenutnisse und Dur:
stellungs1uittel durch den ineiuandergreisenden Fortschritt der Schulen. Auch
ein negativer Zug kommt der französischen Malerei im Unterschiede von
der deutschen zu gute: daß ihr nämlich der höchst zweifelhaste Gewinn des
akademischen Studiums erspart geblieben ist, wie es in Deutschland ge:
trieben wird.
Und so hat die sranzösische Kunst vor der deutschen jedenfalls das
Voraus, daß sie ernstlich studirt hat, daß sie ihr Handwerk gründlich kennt
und so zu einer gewissen Freiheit künstlerischer Gestaltung durchgedrungen ist.
Sie hat sich nach dieser Seite den Charakterzug des ZeitaltersS, mittels
der Bildung die Schätze der Vergangenheit zu heben, wirklich zu Ruhe
gemacht: sich an die großen Meister gehalten, um von ihnen die Führung
des Stifts und des Pinsels zu lernen, ihnen unercniidlich Form und Farbe
abzusehen und sich so zu freiem Gebrauch alle die äußerlichen Bedingungen
auzueiguen, ohne welche lebeusvolle Gestalten und Bewegungen gar nicht
möglich sind. Sie sind nicht wie wir Deutsche aus uureiner und stofflicher