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Buch. 1I.
2. Die religiBf; Bewegung unter der Juliregiek11ng.
Kapitel,
welche es im Namen der Kunst unternahm, die Kirche zu stützen. Nur
eine andere, eine neue Richtung, eben jene, deren vorneh1nster Vertreter,
ohne daß er es gewollt hätte, Flandrin war, war im Stande, sich dieser Auf:
gabe zu unterziehen nnd die religiöse Malerei zu dem Ansehen zu bringen,
das die Restauration vergeblich angestrebt hatte.
Natürlich stand dieser Aufschwung, den die Kirchenmalerei nahm, im
engsten Zusammenhang mit den religiösen Strönun1gen, welche das all:
gemeine Leben bewegten. Zwar sollte man denken, daß diese unter den
Bourbonen eine größere Rolle gespielt hätten, als unter dem Biirgerkönig,
dessen.Grundsatz es sein mußte, die geistlichen Ansprüche nnd dies Macht
der Kirche in seinem Lande niederzuhalten. Allein in Frankreich ist es seit
1789 fast in1nter so gewesen, daß die öffentliche Meinung oder wenigstens
die touangebenden Kreise sich gerade für diejenige Lebensform erklären,
welcher die herrschende Regierung entgegen.ist; fühlt sich diese dann nicht
stark genug, jene ihrem Willen zu unterwerfen, so bleibt ihr nur übrig,
sich zu Zugeständnissen zu bequemen: So kam es auch mit Louis Philippe.
Er bedurfte der Kirche, um mit ihrer Hülfe die neue Ordnung der Dinge
zu befestigen. Bald mußte er sich im Stillen und gleichsam unvermerkt
um so mehr zu ihr halten, als, die Umtriebe der Legititnisten nicht gerechnet,
die Stimmführer der nltraucontanen Partei das Banner der Freiheit nnd
Gleichheit anfsteckten nnd damit die Jugend auf ihre Seite zu bringen
drohten. Eine eigenthümliche Lage und Verschiebung der Verhältnisse.
Ein Ehateanbriand konnte gegen den gemeinsamen Feind mit den Fiih:
rern der Opposition gehen; Lancennais gründete mit den Montalembert,
Lacordaire und Gerbet die Zeitschrift l7Avenir, um ein neues Evange:
liu1n, das der Revolution und De1nokratie, zu predigen; der Socialismus
eines Buches fand in Jesu den Vertreter, in der katholischen Religion
die Verwirklichung der gesellschaftlichen Gleichheit seinen Anklang an eine
solche Auffassung des Christenthums haben wir in Art; Scheffers ,,Christus
conso1at0rtt getroffe10. Aber auch in den Salons, in den abgeschlossenen
iKreisen der vornehmen Welt erneute sich plötzlich der religiöse Eifer. Diese
besc;äftigten sich nun ebenso fanatisch mit dem Chriftenthu1n, als unter
dem Directorium die feine Gesellschaft mit dem Hellenemvesen. Lacor:
daire übernahm es, als Kanzelredner in modernen Formen nndsWeng
dringen die Frömmigkeit salonfähig zu machen, während der Jesuit Rai
vignan für die gebildeteren Seelen feinen Predigten den klassischen Anstand
nnd Zuschnitt des Zeitalters Ludwigs XIV. gab; die Damen des