Ihr
zum
Berhältuiß
JUlikö11igthum.
Drama.
Die klafsische Umkehr im
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der Bewegung, welche in den jungen Talenten zu tief gewurzelt war nnd
in das ganze geistige Leben zu mächtig eingegriffen hatte, mit einem Male
ein Ziel zu setzen. Allmälig, etwa seit der Mitte der dreißiger Jahre, tritt
in die gesa1nmte Kunst eine gewisse Ruhe und Mäßig1t1ig ein. Die ge:
waltsa1nen Stoffe werden immer mehr aufgegeben, an die Stelle der
nngestiimen mas;losen Behandlnngswcise setzt sich eine strengere, die Form
sorgfältiger ausbildende Auffassung. Damit mildern sich auch die Gegen;
sähe nnd läßt der Kampf nach, der ,vorher in, regellose1n Wechsel die ver:
schiedenen Richtungen bald eiuanderzubewegte, bald nur um so heftiger
gegeueinauderspaunte.
Ja der Dichtung war es das Drania, in dem zmuichst diese Re:
action vor sich ging. Der gräs;lieheu Katastrophen in den Stücken von
Victor Hugo nnd. A. Dianas, ihrer unglaublichen Ungeheuerlichkeiten, die
abwechselnd in phantastischem Aufpnt,; und in dem nachlässigen Kleide ge:
wöhnlicher Natnrwahrheit erschienen, des materiellen Aufwandes an po1up:
hafter Jusceuiruug, am antiquarischen Rüstzeug der Kostiiine und Dekora:
tionen, vor Allein aber der wilden Formlosigkeit in der Komposition
wurden die Gebildeten wenigstens Mitte der idreißiger Jahre herzlich müde.
Man sehnte sich wieder nach dem gemesseuen Ausdruck einfacher Gefühle
nnd nach dem geregelten Gange einer kiinstlerifch abgerundeten Handlung.
Racine und Corneille, nachdem sie so lange die dramatischen Ideale der
Franzosen gewesen, waren wol von den Roinantikern ihres Ansehens ein.
kleidet worden; aber noch wirkte, wenn auch nur unter der Decke, die alte
Neigung fort für ihre dem französischen Sinn angepaßte klasfische Behands
lnngsweise der antiken Stoffe. Da war es eine Schanspielerin, .die
Rachel cerstes Auftreten in einer Hauptrolle 1838J, welche mit nnleug:
barer wahrhaft genialer Begabung die alten Dramatiker auf der Bühne
zum zweitenmale aufleben ließ. War seit fast einem Jahrzehnt das Thes
ätre kranc;ais verlassen nnd die Porte St, Martin der Sain1nelplatz eines
aus allen Klassen gemischten Publikums gewesen: so strömen nun die
höheren und mittleren Stände wenigstens mit heller Begeisterung für die
wiedererweckte klassische Tragödie in jenes zurück. Indessen in durchgängigem
Gegensatz zur romantischen Poesie stand dieses erneuern Drama nicht.
Vielmehr lieh demselben die lebensvolle Versinnlichnng, welche die Rachels
ihm gab, gewisse mit jener verwandte Züge, und gerade dies gab der
Darstellung. einen für das Publikum so anziehenden Reiz. So zeigte sich
auch hier, was wir in der Malerei finden werden: daß nämlich die ideale