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l1I.
ButI;s
III.
Kap
Die romantische Malerei und die roma11tifche Dichtung.
Daß gerade sie, welche das rein künstlerische Element, die Form link
weiteren SinneJ als solche, der gegenüber der Stoff gleichgültig ist, zum
Princip erhob daß eine solehe Kunst das ganze Geschlecht beschäftigte
und in Athem erhielt, das war allerdings nur möglich in einer solchen
Zeit der politischen Abspannnng, eines in der trägen Mitte zwischen Vers
gangenen und kommenden Ereignissen verharrenden Friedens. Mehr aber
noch als die politischen die lediglich gewähren ließen waren die
finanziellen und volkswirthschaftlichen Zustände der Entwickelung des get:
stigen Lebens günstig. Nicht blos, daß die trefflich Verwaltung der Staatsi
tnittel unter der Restauration, der Ueberschuß der Einnahmen über die
Ausgaben der Kunst und Wissenschaft zu gute kamen. Sondern nun erst
trug die Errungenschaft der Revolutiou, die Aufhebung des Zunftzwangs
und die unbedingte Freigebung der Arbeit, ihre vollen weithin wirkenden
Früchte. Die rasche Entwickelung aller Gewerbskräfte, des unbeschriink:
ten inneren Verkehrs und in Folge dessen der nun ungehennnte Fluß aller
.Hülfsqnellen des Landes trieb den allgemeinen Wolstand zu einer bisher
ungekannten Blüte und damit seine befruchtende Strömung auch in die
entlegeneren stillen Gebiete des Geistes.
Zugleich trat jene lebhaste Wechselwirkung zwischen Malerei und
Dichtung ein, welche ein Merkmal der modernen Bildung ist. Schon
t820 hatte Lamartine mit seinen Meditations p0etiques das Feldzeichen
zum Ausdruck einer 1naßlosen Gefühlsschwärmerei gegeben; ,,in ihnen fand
man, sagte Eh. Nodier, statt der gesuchten und gezierten Redeweise Cder
KlassikerJ, statt der kläglichen Einförmigkeit der griechischen Fabeln Und
der abgeschmackten Langeweile des Polhtheismus, Gedanken, Gefühle,.Lei:
denschasten, welche das Herz träumen machen und eine energische Wahr:
heit, welche die Seele erhebt und ihrem himmlischen 1Irsprunge niihert.9
Denn noch suchte Latnartine in dem rastlosen Wechsel tobender Empfin:
dungen, von Jnbel, Verzweiflung und Zerrifsenheit, eine Stütze in der re:
ligiösen Anlehnung an den Gott des Christenthnnts, noch reichte er so dem
kirchlichen System der Restanration wenigstens die eine Hand. Aber schon
lag seinem Glauben die weltliche und individuelle Auffassung des Christen;
thums zu, Grunde, welche der französischen Romantik eigen ist. Worauf
es auch ihm vor Allem ankam, das war die Schilderung des ausgelegten
Seelenlebens im Kampf mit den Verhältnissen und unter dem Einfluß der
Wechselsälle des Daseins cJocelVnJ; das religiöse Verhalten war ihm nur
ein Hebel mehr, die Tiefen des Gemiiths anfzuwühlen. Uebrigens ein