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Freie
Studien.
abzuschließen, die Gewissensfreiheit zu einer Wirklichkeit
zu machen und Von Staatswegen auszusprechen: daß die
Gesellschaft nur eine ,,ReligionH kennt die Geretkhtig:
keit und das; für den Staat der gerechteste Bürger
der religiöseste Mensch ist. J1n übrigen mag dann jeder
auf seine Fasfon selig werden. Aber für die Ungerechten
ist es natürlich bequemer, Religion zu predigen, als Ge:
rechtigkeit zu üben.
Die Religion ist also ein zusam1nengeseYtes Produkt,
ein Gesan1tergebnis all der Funktionen, mit deren Hilfe
der Geist sich bejaht und offenbart. Sie ist die Kunst,
die Wissenschaft, die Gerechtigkeit, zusa1nmengefas3t zu einer
noch unvollkommenen Form, die jedoch den Bedürfnissen
des unentwickelten, noch vom Jnstinkte beherrschten Men:
schen entspricht, der seine geistige Arbeit, seine Erziehung,
beginnt. Die Spekulation tritt hinzu, um die Theologie
zu schaffen, die Poesie, um die heilige Geschichte zu ver:
fassen, die Architektur, um den Tempel zu bauen, die
Skulptur, die Malerei, um das Bild der Gottheit zu
entwerfen, die Gerechtigkeit, um die sittlichen Gebote zu
formuliren, und die Musik endlich, um der kirchlichen Feier
ihre mächtige Stimme zu leihen. So findet der Mensch
in der Religion alle Elemente eines allgemeineren, höheren,
über die Befriedigungen der animalischen Existenz hinaus:
gehenden Strebens, das seinem Wesen entspricht und ihm
erlaubt, sein Dasein ins Unendliche zu erweitern.
Aber je mehr der Mensch sich entwickelt, desto mehr
entwickeln sich auch die Elemente, aus welchen seine