und
Kunst
Moral.
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wie zur Ausübung des Schönen, des Wahren und des
Guten. Der Staat ist somit genötigt, selbst für die Er:
ziehung zu sorgen; denn die Kirche, indem sie in der
religiösen Ueberzeugung die höchste Sittlichkeit erblickt,
macht den Glauben zur Hauptsache und die Tugend zur
Nebensache, sie leugnet das Wesen der Gesellschaft und
zerstört die Grundlage des Staats. Die lehte Konsequenz
jeder kirchlichen Lehre ist denn auch das Aufgehen des
Staats in der Kirche.
Im Prinzip find also Staat und Kirche unverträglich
und unvereinbar; der Staat wäre genötigt, die Kirche
auszurotten, um nicht von ihr aufgezehrt zu werden, wenn
er zu seinem Schuhe nicht die Freiheit hätte, diese gute
Fee, welche alle Wunden heilt und alle Schwierigkeiten
wegräumt. Er verkündet die religiöse Freiheit, und das
genügt, die Entartung der Moral und die Zersegung der
Gesellschaft aufzuhalten. Denn mit dem Grundsag der
Religionsfreiheit spricht der Staat aus, das; keine Kirche
das Monopol der Wahrheit hat, und keine Religion die
Vorratskamn1er der Tugend ist. Jndem er es dein Bürger
überläßt, jede beliebige Religion, oder auch keine, zu wählen,
erklärt der Staat, daß die Moral unabhängig vom Glauben
ist, daß sie dem Wirkungskreis der Vernunft angehört, daß
ihre Pflege der politischen Ordnung zukommt, das; ihr Reich
von dieser Welt ist, und ihr Play bei den sozialen Rechten
und Pflichten inmitten der bürgerlichen Gesellschaft. Damit
ist die Sittliihkeit gerettet, und das ist alles, was der Staat
braucht. Sobald der Grundsatz der religiösen Freiheit in
Psnu, Kunst und Kritik. lV. 10