und
Kunst
Gefkhidhte.
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welche die Wohlthat der staatlichen Einigung eine Titus
schung wird, zu begreifen und anzustreben. Auf diesem
realen Boden der Geschichte und Politik wuchs die Idee
der menschlichen Znsammengehörigkeit und Solidarität, und
aus dieser Einheit des Menschentums mußte die Einheit der
Gottheit mit derselben Notwendigkeit hervorgehen, mit der
früher aus der zusammenhanglosen Zerstückelung die vers
schiedenen nationalen Göttershervorgegangen waren.
Unser Gottesbegriss ist also kein Geschenk des Christen:
tums, und dies um so weniger, als die ,,ungläubigen
HeidenH schon fünfhundert Jahre, ehe Christus predigte,
auf einer Stufe der Erkenntnis standen, die ein gläu
biger Christ nie erreichen kann. Xenophanes, geboren
572 vor Christus, war schon damals Pantheist, denn er
lehrte, Gott sei die Einheit des Seins und stehe als solche
nicht über, sondern in der Welt. Die ganze Natur sei
der Gesamtgott, das Ein und All, die aus sich selbst
existirende einzig wahre, ewige und unveränderliche Ren:
lität. Aehnlich lehrte Anaxagoras, der zur Zeit des
Perikles in Athen lebte, einen vernünftigen Weltgeist
n0ns der alIwissend und selbständig, rein, einfach und
immateriell alle Dinge durchdringt, scheidet und bestimmt,
und das Prinzip alles Lebens, Empsindens und Denkens
ist. Er erklärte die Entstehung der organischen Wesen
und die Erscheinungen des Himmels aus physischen Ur:
suchen und nahm nach dem vernünftigen Grundsatz:
aus nichts wird nichts eine ursprüngliche Materie an,
die wohl vom Geiste geordnet und gestaltet, aber nicht
Pfau, Kunst und Kritik. IV. 7