Tradition.
Jtalieuis6hc
Wirth.
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hat eine Lücke; er weiß zu serfinden, aber nicht zu
schaffen, denn er ist zu keiner ihm eigenen Form durch:
gedrungen.
Das dunkle Bewuf;tsein dieses Mangels treibt Wien;
zu innner ausschweisenderen Gebilden. Statt einen seinem
Gefühl gemäßen Stil zu suchen, will er zeigen, das; er
alles kann. Heut entwirft er eine Komposition, deren
strenge Linien an die Manier Rafaels erinnern; morgen
versucht er sich in Realis1nus und treibt die Naturwahrheit
bis zur Augentäuschung. Ju einigen seiner Bilder ah1nt
er Rubens mit erstaunlicher Geschicklichkeit nach; aber das
Verdienst des Künstlers besteht nicht in solchen Kunst:
stinken. Trog; einer lebhaften und geschiiftigen Intelligenz
wußte Wiens seine künstlerische Erziehung nicht zu voll:
enden und sein ästhetischer Geschmack ist nicht frei von bei
deutlichen Verirrungeu. So passirt es ihm nur allzu
häufig, das; er nach großer Anstrengung beim Gegenteil
seiner Absicht anlangt. Indem er mehr geben will, als
die Kunst vermag, treibt er den Ausdruck auf die Spitze,
fällt in eine Uebertreibung, welche die Forderungen des
guten Geschmacks vergißt, und bringt so, statt der mag
ralischen und intellektuellen Wirkung, die er sticht, nur
einen physischen und materiellen Eindruck hervor. ,,Das
verbrannte KindU gehört in diese Kategorie verfehlter
Kraststücke. Eine Mutter reißt ihr vom Feuer erfaßtes
Kind aus der brennenden Wiege und bricht dabei in
einen Schrei des EntseZens aus, der ihre Züge aufs
abscheulichste verzerrt. X Wiertz, verstößt hier gegen die
Pfau, Kunst und Kritik. I. 4