Kolorismus.
Bom1at.
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Meisterwerk als eine Offenbarung: die eigentümliche Ver:
wertung von Form und Farbe wirkt wie eine Entdeckung.
Der unmittelbare Ausfluß der Individualität, wie er in
gleicher Gestalt nie dagewesen, schafft uns einen neuen
Standpunkt der Betrachtung, welcher unsere Anschauungen
erweitert. In dem Maße dagegen, in welchem die Ge:
schicklichkeit über die Empfindung vorschlägt, vermindert
sich jene erhebende und belehrende Wirkung, um der bloßen
Freude an der überwundenen Schwierigkeit Platz, zu machen.
Auch hier noch bewundern wir die Erfolge menschlicher
Fähigkeit, dürfen uns jedoch nicht verbergen, daß das
Prinzip dieser Anerkennung dasselbe ist, das uns den
Seiltänzer beklatschen läßt.
Um nun zu unserem Ausgangspunkt zuriickzukomn1en,
so wollten wir blos; verständlich machen, inwiefern aus
der vielsprossigen Doppelleiter, die einerseits von der
Empfindung, andererseits von der Geschicklichkeit aufwärts
führt bis zur absoluten Einheit beider, unser Bonnat
nicht in der vollen Mitte, sondern wie jeder spezifische
Kolorist eine Stufe tiefer, auf der Seite der Technik
stehst. Diese Einreihung socl jedoch kein Tadel, sondern
nur eine Bezeichnung sein; denn auch die Färbekunst,
namentlich wenn sie mit solcher Meisterschaft gehandhabt
wird, hat ja ihre volle Berechtigung in der Malerei.
Bonnat ist der Jnbegrisf der französischen Geschicklichkeit
in des Wortes bester Bedeutung. Wenn er die psycho:
logischen Tiefen unerforscht läßt, so hat er genug Frische
der Empfindung, um seinem Vortrag den Charakter der