Der
Einfluß
Leonardos.
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schwermütiger Frömmigkeit, kommende: Leiden denkend, starren
sie ins Leere. In dieser Resignation, diesem vollkommenen
Verzicht auf alle Erdenfreuden verkörpern sie den ethischen
Gehalt, den innersten Geist des Christentums. Leonardos
Werke haben keine kirchliche Stimmung. Nicht mehr an Dome
denkt man, wo der Weihrauch zitternd zum Himmel steigt.
Das odeur de femme scheint tm die Stelle des WeihraUcJs
getreten. Die Sinne dieser Weiber sind erwacht, und sie
entsagen nicht. Wie ein verhaltenes erotisches Erbeben zuckt
es um ihren Mund. Jener feuchte Schimmer, den die Griechen
der Liebesgöttin gaben, glänzt in ihrem Auge. Während
Botticelli seine Venus so keusch wie.Maria malte, wird unter
Leonardos Händen Maria zur Liebesgöttin.
Auch der Körper macht seine Rechte gegenüber der
Seele geltend. Jene Aelteren dachten mit MilIet: Wenn
ich eine Mutter male, soll sie nur schön sein durch den
Blick, mit dem sie ihr Kind betrachtet. Die irdische Grazie
Leonardos kann nicht auf den Kopf ßch beschränken. Denn
Liebreiz ist an den Körper gebunden. Darum umkosen dünne
Florgewänder die schwelIenden Formen. Jn seinem Suchen
nach sinnlicher Schönheit mischt er die Reize beider Ge:
schlechter.
Auch in seinen Stoffen steht er zu den Künstlern der
Savonarolazeit in Gegensatz. Die Kreuzigung Christi, seine
Grablegung, die Beklagung seines Leichnams wurden damals
gemalt. So düster pathetisch, als ob man die Donnerworte
des Propheten hörte. An Leonardo da Vinci, dem stahl:
gepanzerten Jüngling, der auf Verruchios Tobiasbild so
ruhig daherschreitet, prallten alle Wogen der religiösen Be:
wegung ab. Bei ihm gibt es nichts Trauriges. Selbst sein
Abendmahl ist nicht die Schilderung einer wehmütigen Ab: