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Die germanische Malerei des Rcformationszeitalters.
Jtaliener ebensosehr, wie sie selten ist innerhalb der deutschen
Kunst jener Jahre. Diese fchlanken Jünglinge mit dem
elastischen und doch weich wollüstigen Körper, die schüchterne
Zartheit seiner Jungfrauen, die iippigen Locken, die in weichen
Ringeln das Antlitz umrahmen, die träumerischen, in weicher
Sinnlichkeit glänzenden Augen, der Ausdruck holder Süßig:
keit, der die Gesichter verklärt nur in den Zeichnungen
Leonardos findet sich ähnliches. Auch in den Bildern, die
neuerdings von ihm bekannt wurden, erkennt man ihn an der
koketten Tracht, den anmutigen Typen, der Vorliebe für
Kränze und Blumen. Namentlich das Gothaer Porträt eines
Liebespaares ist wohl das schönste aller altdeutschen Bildnisse.
Dieser feine modische Jüngling mit dem langen blondlockigen
Haar, auf dem ein Kranz wilder Rosen ruht, dieses ver:
schämte Mädchen mit der Rose in der Hand, das so traums
verloren dem schmachtenden Flüstern des Geliebten lauscht I
das ist bis in die Bewegung der Finger graziös in modernem
Sinne. Ein Strahl der Frauenseligkeit Walters von der
Vogelweide, doch ein Strahl auch von der Sonne des Südens
ist auf das entzückende Werk gefallen.
Dürer.
In Süddeutschland blieb Nürnberg der Mittelpunkt des
Schaffens, und wie vor hundert Jahren Wackenroder und
Tieck werden auch wir noch seltsam ergriffen, wenn wir die
alte Pegnitzstadt betreten. Die alten Kirchen, die holperigen
Gassen, die ernsten Patrizierhäuser bevölkern sich noch immer
in der Phantasie mit malerischen Gestalten in Barett und
Schaube aus jener großen Zeit, da Nürnberg ,,die lebendig
wimmelnde Schule der vaterländischen Kunst warst, da ein
,,überfließender KunstgeistU in seinen Mauern waltete, da