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Antike.
Natur und
der MedailIeurkunst. Die Bildnisse Jan van Eycks untere
scheiden. sich also von denen Pisanellos dadurch, daß sie die
Köpfe nicht in Profil, sondern in Dreiviertelansicht gebens
Während der Jtaliener die charakteristische Linie zeichnet, malt
der Niederländer die farbige Fläche. Beiden gemein aber ist
das Streben, die menschliche Physiognomie mit der unerbitts
lichen Strenge, der unbegrenzten Genauigkeit des photo:
graphischen Apparates wiederzugeben. Wie die Landschafter,
nachdem sie vorher nur Goldgründe hatten geben dürfen, nun
jeden Kieselstein und jedes Blättchen, jeden Tautropfen und
jeden Grashalm zeichneten, so schweigen die Porträtmaler,
nachdem man vorher nur allgemeine Typen gekannt, nun mit
wahrer WolIlust im krausen Detail, in Runzeln und Schwielen,
in Bartstoppeln und Falten. Selbst bei der Wahl ihrer
Modelle verfahren sie nach diesem Geßchtspunkt. Denn keine
Köpfe junger Mädchen kommen vor, selten Jünglingsbilder.
Hauptsächlich Greifen: und Matronenköpfe mit alter schrumpf:
licher Haut sind Aufgaben nach dem Herzen dieser realistischen
Kunst. Der knorrige Alte der Berliner Galerie, der mit
kon1ischem Ernst eine Nclke hält is die moderne Blume, die
gerade damals nach Europa gebracht war und ähnliches Aufs
sehen machte wie in unseren Tagen die Orchidee,Es kommt
sofort in Erinnerung. Auch an den abenterJrlichen Kopf des
Arnolfini denkt man und an das Verlobungsbild desselben
Kaufherrn, das mit feinem reichen sittenbildlichen Apparat
schon die Keime der späteren Genremalerei in sich birgt.
Auf diesem Wege ging die Entwicklung weiter. Eine
Malerei, die einmal die Poesie des Jrdifchen entdeckt hatte,
konnte auch nicht auf dein Boden stehen bleiben, den Jan
van Eyck und PisanelIo ihr bereitet. Die zierliche tändelnde
Kleinkunst dieser beiden mußte in eine ernste Malerei sich