Volltext: Spemanns goldenes Buch der Kunst

sich völlig in die dortige Kunst 
einge1ebt hatten. Die heimischen 
Meister, namentlich in den nörd: 
lichen Ländern, hielten dagegen noch 
lange an den Grundzügen ihrer 
mittelalterlichen Bautypen fest, 
deren Besonderheiten ja in den 
klimatischen Verhältnissen dieser 
Landstriche, in Charakter, Lebens: 
weise und Sitten ihrer Bewohner 
eine tiefere sachliche Begründung 
hatten. Die realen Faktoren blieben 
umsomehr. von entscheidender Be: 
deutung, als größere Aufgaben 
fast nur im Gebiete des Profan: 
baues zu lösen waren; im Kirchen: 
ban trat nach der anßerordent: 
lichen Vaubegeisterung der goti: 
schen Periode, die allenthalben weit 
über die nächsten Bedürfnisse hinaus: 
gehende Werke hatte beginnen 
lassen, zu deren Vollendung oft 
die Mittel nicht mehr aufgebracht 
werden konnten, nun begreiflicher:s 
weise eine längere Zeit des Still:s 
standes ein. Jn Frankreich waren 
es die Schlösser der Könige unds 
der Adeligen, bei deren Ausstattung  
der neue Geschmack zuerst sich Bahn 
brach, am frühesten in der Jnnen: 
dekoration, dann auch in der Außen: 
architektur bei Erneuerungs: und 
Erweiterungsbauten an älteren An: 
lagen. Hierbei wie auch bei voll: 
ständigen Neuschöpfungenlgnb man 
die Grundgestalt der mittelalter: 
lichen feudalen Burg mit ihren 
locker verbundenen, in der Regel 
um mehrere Höfe malerisch grup: 
piertenGebäudenmithohenDächern, 
Giebelsenstern, Türmen, Befesti: 
gungsmauern, Wassergräben und 
Zugbrücken nicht auf; aber der 
troHige, abgeschlossene Ernst der 
gotischen Schlösser wurde nun durch 
eine spielend:dekorative, mitunter 
äußerst reiche Einkleidung in feine 
Renaissanceformen übergeführt in 
den Eindruck stolzer, heiterer Pracht. 
CDurch köstliches Detail ausgezeich: 
neter Uebergangsstil unter Franz1.J 
In der 2. Hälfte des 16. Jahrhun: 
derts bildete sich dann ein Normal: 
typus des französischen Schlosses mit 
klarem, symmetrischem Grundplan 
heraus: hufeisenförmiges Gebäude 
um großen rechteckigen Hof Ccour 
c1711onneurJ, der an der Zugangs: 
fette in der Regel nur durch eine 
Mauer oder niedrige Nebengebiiude 
 mit großem Mittelportal abgefchlos: 
sen ist; vorspringende Eckbauten 
mit eigenen steilen Dächern l,,Pa: 
villonst7J an Stelle der früheren 
wehrhaften Ec.ktürme, ein ähnlich 
sbehandeltes Mittelrisalit c,,Mittel: 
parnllonttJ häufig in der dem Hof: 
emgang gegenübergelegenen Vier: 
ecksseite, in welcher die Herrschafts: 
Wohnung sich befindet. Neben diesem 
Hauptgebäude mitunter ein von 
Nebengebäuden umgebener Wirt: 
schaftshof Gasse courJ, rückwärts 
der Garten. Diese Grundform, die 
siO durch das 17. und 18. Jahr: 
hundert erhält, wird dann auch auf 
die ftädtischen Schlösser und Paläste 
C,,H6telstiJ übertragen; bei diesen 
liegt also gewöhnlich nur der vor: 
dere Abschluß des Hofes mit dem 
Einfahrtsthor an der Straße, die 
Fasfaden des Hauptgebäudes sind 
gegen den ,,Ehrenhoftl gewendet. 
Die Gliederung des Außenbaues, 
in der Regel in Stockwerksteilung 
mit Pilastern und Gehalten, geht 
wie in Italien von der graziös 
spielenden, schmuckfreudigen Art 
der Frührenaissance in eine archi: 
tektonisch:strengere, dem Wesen der 
antiken Formen mehr Rechnung 
tragende über. Daneben bricht gegen 
den Ausgang des IS. Jahrhunderts 
da und dort eine ziemlich barocke 
Phantastik durch. Maßgebend für 
die G.esamterscheinung aber bleiben 
gewisse nordische und nationale 
Eigentümlichkeiten: große rechtwink: 
lige Fenster Chäufig mit steinernen 
sKreuzpfostenJ, auf dem Haupt:
	        
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