immerdar betont sich die Reinheit des Blutes. Es erwächst aus dieser Enge
der sozialen Zusammengehörigkeit ein Teil der religiösen Verehrung:
sie wird dem sagenhaften Ahnherrn dargebracht, der oft in die Reihe der
dem Stamme heiligen Götter eingereiht wurde. Wenn es sich auch regelmäßig
nur um die unteren Gottheiten handelt, so bleibt doch der Tatbestand, daß
aus der sozialen, blutgetragenen Verpiiichtung gegenüber der noch deutlich
erinnßrbaren Quelle des völkischen Lebens ein göttliches Bild sich formt
und kristallisiert. Nicht minder sichtbar sind die Zeichen für die Grundhal-
tung des primitiven Lebens im verhältnismäßig unter- und übergeordneten
Bezirk. Denn hoch oben über dem Getriebe der Welt und auch der Dämonen
und der unteren Götter schwebt die Unbildlichkeit des h ö c h s t e n G o t te s,
der ein gewissermaßen deistisches Gepräge hat: ausruhend von seinem Werk
der Schöpfung, ruhig betrachtend, nur durch die ethische Ansprache reuiger
Sünder in Verbindung (doch ohne göttliche, äußerlich sichtbare Tat) mit der
von ihm erschaffenen Welt. Und unterhalb der Götter ist die Wirklichkeit
durchdrungen und getragen von einer "Lebenskraft", die als übersinnlich und
doch die Natur allgegenwärtig durchdringend erlebt wird. So zeigt sich über-
all die Stärke des einheitlichen Gefühls, vielmehr des Gefühls für die Ein-
heit, mag man das soziale, das religiöse, das naturhafte Leben oder die Wirk-
samkeit der ästhetischen Funktion im Kunstwerk beobachten. Diese kunst-
hafte Kraft ist's, die dem primitiven Leben im ganzen Umkreis seiner Vor-
aussetzungen und Ergebnisse den Abstand seiner Radien, das Verhältnis
seiner Segmente vorschreibt und rhythmisiert: als die übergeordnete und
zugleich grundlegende Instanz. Ganz und gar anders aber ist unser Dasein.
Bestimmt von der explosiven Tatkraft des Einzelnen sei er klein, sei
er groß-herrscht fesselloser, nur widerwillig sich beschränkender Kampf
zwischen uns allen, ja auch zwischen den Funktionen und ihren Grund-
Sätzen in uns selbst. Befreien wir uns von den wirtschaftlichen Antrieben
der Umgebung und eigenen Habgier, so ist es im höchsten Falle das sittliche
Prinzip der freien Persönlichkeit, das sich realisiert.