Die Baukunst von 1250 bis 1400. 55
sonders charakteristisches (Abb. 8, 54, 103). Nachdem man sich schon
längere Zeit mit Bauabsichten getragen hatte, legte im Jahre 1275
Bischof Leo aus dem städtischen Geschlecht der Tundorfer den Grund-
stein zum heute bestehenden Gebäude. Kirchliche Repräsentations-
pflicht und patrizischer Ehrgeiz trafen solchermaßen zusammen i". Im
vorausgehenden Jahrzehnt hatte" kurze Zeit der berühmteste Gelehrte
des scholastischen Zeitalters, Albertus Magnus, auf dem Regensburger
Bischofstuhl gesessen. Die spätere Überlieferung schrieb ihm ein
tiefes Wissen auch in der Baukunst zu und machte ihn zum Planleger
des Kölner wie des Regensburger Doms "und noch mancher anderer
Gebäude von Ruf; es sind Legenden ohne Wahrheitskern. Nicht weniger
falsch ist die Zuschreibung an Erwin von Steinbach. Der Dombau
ist in der Reihe der kirchlichen Monumentalbauten Regensburgs im Mittel-
alter der letzte, und er schritt nur langsam vorwärts; noch am Schluß des
Mittelalters war er ein Torso. An den unteren Teilen des Chors zeigen sich
in den Schmuckformen noch romanische Erinnerungen, im Langhaus wird
die Behandlung trocken und derb, die Hauptfaktoren der Architektur
im Grundriß wie im Aufbau sind aber, wie wir anzunehmen Grund haben,
den Bestimmungen des Urplans treu geblieben. Dem Regensburger Dom
schlug seine Isolierung in einem Lande, das weit und breit von Gotik sonst
nichts wußte, zum Glück aus. So konnte der großeAtemzug des 13. Jahr-
hunderts im 14. ungestört weiterwirken. Der Urheber des Entwurfs war
aus dem Westen berufen; mit der frühgotischen Stilrichtung, in der nicht
lange vorher St. Ulrich erbautwar, steht er in keinem "Zusammenhang,
er hat seine Schule in Straßburg und Ostfrankreich durchgemacht. Dort
hatte er einfachere Grundrisse als die nordfranzösischen gesehen, die sich
mit den bairischen Überlieferungen leicht verschmelzen ließen. Das Quer-
schiff bleibt, mit Unterdrückung der Kreuzfonn, in den Fluchtlinien des
Langhauses, und der Chor setzt einfach das letztere fort und endet nach
landesüblicher Weise in drei, jetzt natürlich polygonal gebrochenen Ap-
siden, die mittlere um ein Joch nach Osten weiter vorgeschoben. Im Gegen-
satz zu der Vereinfachung des Planes, in die er sich schicken mußte, wollte
der Meister für den Aufbau auf das reiche klassische System nicht ver-
zichten, was zu manchen Konflikten, Härten und Künsteleien geführt hat.
Das logisch Nächstliegende und in Deutschland allgemein Übliche bei ein-
schifiigem Chor mit Achteckschluß ist es, an jeder Polygonseite ein einziges
Fenster von unten bis oben durchlaufen zu lassen. Der Regensburger
Meisterüberträgt aber auf seinen Chor das dreigliedrige System mit Tri-
forium. Dabei sind die Fenster des Erdgeschosses an die Außenkante der
Strebepfeiler zurückgeschoben, während die vordere Ebene nur durch
i" .Ma.n beachte in diesem Ideenzusammenhang eine Einzelheit: an den Glasfenstern
des Chorsfinden sich nicht bloß die Wappen der Bischöfe, sondern" auch aller Patri-
ziergeschlechter, deren Namen im Anfang des 14. ]ahrh. Klang hatten.