Das 15. Jahrhundert in der darstellenden Kunst. 26I
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gigetragen von einem Gefühl für zeremonielle Würde, das im Geiste
des katholischen Gottesdienstes liegt, aber sonst im Realismus des I5. Jahr-
hunderts fast überall verkümmert War; aber es ist doch ein anderes als
im hohen Mittelalter; denn so gemessen die Haltung der Handelnden
selbst ist, um sie her zittert die Luft von Erregung; Die Charaktere sind
von einer Größe, die die deutsche Kunst in diesem Jahrhundert sonst
nicht kannte. Hier darf mit" Recht an Pachers Bekanntschaft mit Man-
tegna erinnert werden, zugleich und schließlich noch mehr aber daran,
daß in ihm die ungebrochene Kraft und natürlich aristokratische Ge-
sinnung eines Bergvolkes wohnte, die notwendig eine andere geistige
Atmosphäre schuf als die städtisch beklommene, in der die Mehrzahl
der deutschen Schulen zu atmen hatte. Pacher starb 1498. Aus seiner
Werkstatt gingen zahlreiche Schüler hervor, die bis ins erste Viertel des
folgenden Jahrhunderts die Tiroler Schnitzkunst auf einer ansehnlichen
Höhe hielten. Der iprachtvolle Altar in Heiligenblut von I52o lebt
noch ganz in Pacherschen Erinnerungen.
Es wurde bei früherer Gelegenheit darauf hingewiesen, welche
iGefahr für die ausgehende Kunst des Mittelalters in der demokratischen
Notwendigkeit der Massenerzeugung lag. Sie besteht auch für unsere
Darstellung, die ermüdend werden würde, wenn wir in gleicher relativer
Ausführlichkeit von Schule zu Schule weitergehen wollten. Es wird des
weiteren schicklicher sein, uns auf wenige übersichtliche Bemerkungen zu
beschränken. -Noch haben wir nichts vom rheinischen Wes t-en gesagt.
Daß er in dieser Zeit nicht gefeiert hat, versteht sich eigentlich von
selbst. Allein die Summe des Zerstörten ist niederschlagend groß. Zwei
Kurfürstengräber in Mainz (Dieter von Isenburg T 1482 [Abb 370] ,
Albrecht von Sachsen "['I484) gehören zu den. besten derEpoche. Zwei
große und berühmte Ölberge standen in Speier und Straßburg. Der erstere
war zentral komponiert und stand in einer nach allen Seiten offenen sechs-
seitigen Halle. Der letztere (von 1498) besteht, in seine Teile zerlegt,
noch (Abb. 364). Ursprünglich nahm er den Raum zwischen zwei Strebe-
cpfeilern der Thomaskirche ein. Wenn man die kleinere Nachbildung in
Offenburg zu Hilfe nimmt, erkennt man ein bezeichnendes Muster der ma-
lerisch-realistischen Stilrichtung. Der Hintergrund ging- in ein wirkliches
Gemälde über, ins Monumentale übertragend, "was wir im kleinen an den
Flügelreliefs von Blaubeuren schon kennengelernt haben. Christus und
die schlafenden Jünger sind überlebensgroße Gestalten voll wuchtigen
Lebens, und die Schergen, nach Modellen aus der Bürgerwehr, sind mit
shakespearischem Humor gezeichnet. Was sodann die oberrheinische
Holzplastik betrifft, so lassen einige entzückende Stücke aus der Früh-
zeit des I6. Jahrhunderts auch für das I5. eine hohe Qualität vermuten;