Das- I 5. Jahrhundert in der darstellenden Kunst. 253
Vermittlung bekannt geworden und von ihm unendlich veredelt.
Wunderlich ist, daß der Künstler Judas Ischariot zum Zentrum der Kompo-
sition gemacht hat; nach Christus muß man erst suchen. Auch im linearen
Zusammenhang ist die Komposition unflüssig. Über alle Mängel hinweg
siegt der Eindruck: eine- Abendmahlsdarstellung von so viel Adel und-
Stärke der Stimmung besitzt die deutsche Kunst nicht mehr. (Vgl. da-
gegen das bekannte Glasgemälcle in. Soest, eine urbehagliche Bauern-
mahlzeit mit reichlich Schinken und Schweinskopf.) Es folgten die
Tauber abwärts die Altäre in Dettwang und Creglingen. Der letzte zumal
nimmt in der großen Heerschar der deutschen Schnitzaltäre einen der
vornehmsten Plätze ein (Abb. 3 5 5). Das Darstellungsprinzip ist dasselbe
wie in Rothenburg, die Komposition straffer," von einem prachtvollen Be-
wegungsstrom getragen, wie er bei Riemenschneider nicht Wieder vor-
kommt. Allen drei Altären des Taubergrundes (noch an ihrem-ursprüng-
lichen Platz und in ausgezeichnetem Zustande erhalten) ist eine technische
Besonderheit eigen: sie lassen das Holz in seiner Naturfarbe, sind unbemalt,
bis auf die Angabe der Augensterne in Schwarz. Schon Stoß hatte zu-
weilen dasselbe getan. Ist das nicht eine Widerlegung unserer früheren
Behauptung, daß im letzten Viertel des Jahrhunderts die Plastik fort-
schreitend malerischer geworden "sei? Keineswegs, es ist eine Be-
stätigung. Die Polychromie der Plastik im frühen und hohen Mittelalter
war nicht malerisch, sondern ornamental gedacht gewesen. So wie
sie in der Holzplastik des I5. Jahrhunderts geübt wurde, drängte aller-
dings eine 'malerische Tendenz sich vor, deren wichtigstes Hilfsmittel
aber gar nicht die Farbe, sondern die Vergoldung war mit ihrer ver-
stärkten Licht-Schatten- undReilexwirkung. Stoß und Riemenschneider
langten bei einer Technik an, die durch kühne Unterhöhlungen-und freie
Ausladungen die Helldunkelskala bedeutend erweiterte, und sie er-
kannten, daß es eine einheitlichere und in gewissem Sinn malerisch noch
gesteigerte Wirkung ergebe, wenn sie unter Verzicht auf die Farbe allein
auf Licht und Schatten arbeiteten. Und noch etwas andereswar für sie
bestimmend. Nach der gebräuchlichen Technik der bFassunga wurde-
das Holz mit Leinwand überzogen und auf diese eine Gipsschicht als taug-
lichster Grund für Farbe und-Vergoldung aufgetragen, womit jedoch dem
Bildhauer die Berechnung der letzten und feinsten Effekte aus der Hand.
genommen war. Die von den besten Künstlern jetzt verlangte Aus-
schaltung "des Faßmalers bedeutet Verfeinerung. des Formgefühls und
eine neue Schätzung der vollen Eigenhändigkeit ; freilich nurbei günstiger
Aufstellung konnten diese Vorzüge zu ihrem Recht kommen, und eine
Minderung der dekorativen Fernwirkung war jedenfalls ausgeschlossen,
weshalb die überdies mit der nun einmal geforderten Massenproduktion
unvereinbare Neuerung nie allgemeine Aufnahme fand.