Das 15. Jahrhundert in der darstellenden Kunst. 199
Kommunion geschildert. (Herkömmlicherweise müßte das' in der Wüste
geschehen; die Verlegung in die Kirche ist eine rein künstlerisch begrün-
dete Lizenz.) Auf dem Tiefenbronner Altar hat die Neuzeit das Mittel-
alter, der Maler den Erzähler überwunden. Eine so tiefgreifende Um-
wälzung kann nicht in dem stillen Winkel des Schwabenlandes, in dem der
Altar gemalt wurde, sich vollzogen haben. Wenn auch der Maler sich
Lucas Moser von Wyl (Weilderstadt im Unterland) nennt, so gibt es
Anzeichen genug dafür, daß er seine Kunst am Bodensee, in Konstanz, er-
lernt hat. Auf dem Rahmen steht die versteckte Inschrift: Schrei, Kunst,
schrei, und klag dich sehr, dein begehrt jetzt niemand mehr, o weh! Das
klingt wie der Stoßseufzer eines alternden Mannes, der auf bessere Zeiten
zurücksieht. Es sind klärlich die des Konzils gewesen, als die höchsten
Spitzen europäischer Vornehmheit, Kaiser und Papst, 3 Patriarchen, 23
Kardinäle, 93 Erzbischöfe usw., mit einem unermeßlichen Gefolge dort
vereinigt waren. Händler mit Kostbarkeiten aller Art strömten hier zu-
sammen, selbstverständlich" waren auch Kunstwaren darunter t. Was
hierdurch der heimischen Kunst an Anregungen gebracht wurde- genau
zu berechnen ist es nicht traf in der regsamen Handelsstadt, die schon
von langer Hand mit Burgund und Italien in Verkehr stand, auf einen
vorbereiteten Boden, auch dies zu beachten. So wiederholt sich bei
Lucas Moser in den allgemeinen Voraussetzungen dieselbe Erscheinung
wie bei Konrad von Soest. Man sieht aber auch, um eine wie große
Strecke die Entwicklung in dem zwischen dem Wildunger und Tiefen-
bronner Altar liegenden Vierteljahrhundert vorwärtsgekommen war.
Die Bedeutung des Bodensees und Oberrheins ist mit dem, was an
Ort und Stelle geleistet wurde und alsbald über die durch Lucas Moser
repräsentierte Stufe hinaus eine bedeutungsvolle Fortsetzung erfuhr,
nicht abgeschlossen. Es sind von hier Künstler ausgegangen, die in weit
entlegenenGebieten,selbstinNiederdeutschland,alsPionierederneuenKunst
auftraten. Von Hänselin von Straßburg und seiner Tätigkeit in Lübeck
und Hamburg haben wir schon gesprochen. Von Meersburg am Bodensee
gebürtig war Stephan Lochner, der über der Schule von Köln einen
neuen Glanz entfachte. (Daß wir seinen in Urkunden häufig auftretenden
Namen mit einem bestimmten Bilde und von diesem ausgehend einer
ganzen Gruppe von Bildern zu verbinden imstande sind, danken wir einer
Notiz im Tagebuch von Dürers niederländischer Reise.) Er ist dort nicht
lange vor 1430 angekommen, gelangte schnell zu beherrschendem An-
sehen und starb 1451 als Ratsherr der Stadt. Welche Vorstellung wir
uns von der Entwicklung seines Stils zu machen haben, hängt davon ab,
Ein vvährend des Konzils verstorbener .englischer Erzbischof erhielt lsein Grab
im Dom unter einer Handris hengravierten Messingplatte.