. Das 15. Jahrhundert in der Baukunst. I6]
durchgeführt, und zwar in echt spätgotisch-barockem Sinne, zu ver-
gleichen mit Stettheimers Franziskanerkirche in Salzburg, durch geist-
reiche Verwendung malerisch gelöster Dissonanzen: in Fortgang von
der gebundenen Bewegung des Langhauses zu den frei aufrauschenden
Rhythmen des Hallenchors ein wunderbares Crescendo. Ein besonderes
Glück ist die unversehrt erhaltene Ausstattung. (Man nehme als Gegen-
beispiel die vom bornierten Purismus des 19. Jahrhunderts kahlgerupfte
Frauenkirche in München, um zu erkennen, daß für einen spätgotischen
Innenraum die Mitwirkung der Ausstattung durchaus wesentlich ist.)
Wie skrupellos dem, was für den inneren Eindruck gewonnen war, der
äußere geopfert ist, wo die hohe und breite Dachmasse des Chors schwer
auf dem Langhaus lastet, davon überzeuge man sich an Ort und Stelle.
Auch dies charakterisiert die Gesinnung der Zeit. Als eines der wert-
vollsten Denkmäler des Gebiets (jetzt Ruine) darf die Klosterkirche
Gnadenberg (an der Grenze von Franken und Oberpfalz) nicht über-
gangen werden. Sie fällt aber aus dem süddeutschen Rahmen ganz
heraus durch die Strenge der Raumeinteilung in drei genau gleich breite
und gleich hohe Schiffe. Die Erklärung dieser auffallenden Erscheinung
liegt darin, daß das dem Orden der h]. Brigitte gehörende Kloster nach
dem Willen der Stifterin, Katharina von Pommern, Gemahlin des Pfalz-
grafen Johann, die Anlage des schwedischen Mutterklosters zu Wadstena
mit größter Treue nachahmte Wieder ein musterhaft Süddeutsches
Baubild, genauer eine Vereinigung fränkischer und bairischer Eigen-
schaften, zeigt die Hauptstadt der Oberpfalz, Amberg, in der auch
durch bedeutende Abmessungen hervorragenden St. Martinskirche (be-
gonnen 1421, Hauptbauzeit um und nach 1450, Abb. 12, 12a). Langhaus-
halle und Hallenchor sind hier zu einer vollkommenen Raumeinheit ver-
schmolzen. Zwischen den eingezogenen Strebepfeilernliegen im unteren Ab-
schnitt Kapellen, im oberen Emporen, beide fortlaufend um die ganze Kirche
herumgeführt, Jlngibdiese Teilung dadurch noch mehr hervorgehoben, daß
sich vor den Emporen ein schmaler Laufgang mit Brüstung hinzieht. Dieser
die Vertikalbewegung durchkreuzende und aufhaltende, den Raum um-
klammernde Horizontalbau ist ein starkes Mittel, die optische Erschei-
nung ruhig zu stimmen, wie auch die schlanken, aber ungegliedert glatt
gelassenen Rundpfeiler mit weiten Durchsichten auf denselben Eindruck
der Ruhe hinzielen. Vollends am Außenbau ist eigentlich nichts mehr
gotisch: glatte Wände, wagerechte Schichtungf Es ist ausgeschlossen,
daß dies aus übergroßer Genügsamkeit oder widerwilliger Sparsamkeit so
gemacht sei; vielmehr liegt hier ein offenkundiger Wandel in den Wertun-
gen vor.
Brigittenklöster kommen in Süddeutschland
deutendsten sind die bei Danzig und bei Reval.
Deh i o, Geschichte der deutschen Kunst. II.
sonst
nicht
beiden