Die darstellenden Künste. I I3
lichen Erwähnungen der Schriftquellen bis zu den Karolingern zurück-
verfolgen eine Tafelmalerei als selbständige Gattung, d. h. als Trägerin
einer besonderen Art von Bildmäßigkeit, durch die sie die Grundlage der
modernen Malerei wurde, entstand erst am Schluß unserer Epoche. Bis
dahin zeigen die wenigen gemalten Altäre, die sich erhalten haben, die
abgeschliffenen Züge des alternden gotischen Gemeinstils. Die stilisti-
sche Basis war, wie sich von selbst versteht, der, freilich schon recht
vernutzte, aus Frankreich erworbene Formenvorrat. Es ist merk-
würdig zu nicht geringem Teil eine Folge der Bindung der Bild-
künste an die Architektur wie lange es in Deutschland unbemerkt
blieb, daß sich inzwischen eine neue Konstellation in der europäischen
Kunst herausgebildet hatte, von Italien her. Von Giotto, von den großen
Sienesen Wußte man in Deutschland nichts. Diese hatten denselben
Ausgangspunkt wie einst die deutsche Malerei der Stauferzeit, nämlich
die in Byzanz abgelagerten Rückstände der Antike; Anknüpfung an sie,
zur rechten Zeit erfolgt, wäre Rückkehr auf eigene alte Bahnen gewesen.
Anstatt dessen waren es nur späte, vereinzelte, durch andere Medien
hindurchgehende Ausstrahlungen. Die Punkte, auf denen sie jenseits der
Alpen zuerst sich sammelten, waren der päpstliche Hof in Avignon und
der kaiserliche in Prag. Merkwürdig genug: das mittelalterliche Papsttum
bedeutete, solange es in Rom seinen Sitz hatte, für die europäische Kunst-
entwicklung nichts; während des vbabylonischen Exilsa dagegen hat es
sie eine Zeitlang stark beeinflußt; ja es mag nicht zuviel gesagt sein, daß
hier, im Zusammentreffen nordischen und südlichen Geistes, der erste
Anstoß zu der Bewegung eingeleitet wurde, aus der schließlich die Kunst
der Brüder van Eyck hervorgehen sollte. Auf jeden Fall sind von 1350
bis 1380 auf der von Avignon in die Niederlande führenden Linie und
seitlich von ihr, in Nordfrankreich wie in Deutschland, allerlei toskanische
Bildmotive auf der Wanderung anzutreffen f? Ein ähnlicher Vorgang
vollzog sicham Hofe Karls IV. in Prag. Dieser ganz internationale Mann,
in der Weltstadt Paris erzogen, mit italienischer Bildung vertraut, ein
oft gesehener Gast in Avignon, Herr eines slawischen Landes mit deutscher
Kultur, hat der böhmischen Malerei denselben synkretistischen Charakter
gegeben, nur mit etwas anderer Zusammensetzung der Elemente, den wir-
an der böhmischen Architektur schon gewahr geworden sind. Unter
seinen Hofmalern erscheint neben einem Nürnberger, einem Straßburger,
einem Prager auch ein Tommaso aus Modena, und dieser vielleicht der
" Theophilus (Roger von Helmershausen) hat in seiner schedulu artium (um noo)
ein eigenes Kapitel De Tabulis Altarium.
"F Auch iu der Plastik! Das um 1355 entstandene Tympanon des Westportals von
Münster zu Thann im Elsaß schildert die Anbetung der heiligen drei Könige nach einem
ikonographischen Schema, das nur durch Einwanderung aus Toskana erklärt werden kann.
Um 1360 findet es sich in Ulm, um 1370 in Haßfurt bei Bamberg.
D eh i o , Geschichte Vder deutschen Kunst. II. 8