Volltext: Geschichte der deutschen Kunst (1, Text)

Die 
Baukunst vom Ende des I2. bis zur Mitte des 
 
und jeder nach der Pause neugewonnene Meister kam aus einer andern 
Schule und fühlte sich zu Rücksicht auf seine Vorgänger nicht verpflichtet. 
Der Meister des Vorderchors ist der interessanteste: er gibt in seinem 
Aufbau von drei Geschossen (das zweite mit innerem, das dritte mit 
äußerem Laufgang) einen originellen Versuch, das rheinisch-romanische 
 System der Wandzerlegung mit dem gotischen zu verquicken. Von dem- 
selben rührt der Grundriß des Chorpolygons her, ungewöhnlicherweise_ 
ein halbes Sechseck, der Aufbau aber ist von einer andern, in der Gegend 
von Reims geschulten Hand. Ein dritter baute, zu größerem Maßstab 
übergehend, das Querschiff; er war nicht in Frankreich gewesen, wohl 
aber schwebten ihm, wie die Südfront zeigt, Erinnerungen an Limburg 
vor. Ein vierter entwarf das Langhaus als Hallenkirche sichtlich unter 
Marburger Einiiuß. Ein fünfter hatte einmal in Burgund gearbeitet und 
verwendete Erinnerungen von dort am schönen Portal der südlichen 
Langseite. Der sechste endlich führte die im Charakter der hessischen 
F rühgotik begonnene Nordseite zur kölnischen Hochgotik hinüber. 
Aber in dem bunten Gewebe dieser Zeit treten immer noch neue 
Fäden ans Licht. Die im oberen Westerwald gelegene Zisterzienserkirche 
M arienst att, begonnen 1243, gibt zum ersten Male den vollen französi- 
schen Chor wieder, Umgang von sieben Seiten mit einem Kranz von sieben 
Kapellen, diese noch mit halbkreisförrnigem Grundriß. Gerade an einer 
Zisterzienserkirche wäre dies am wenigsten zu erwarten gewesen. Marien- 
statt steht aber mit der übrigen deutschen Zisterzienserarchitektur in 
keinem Zusammenhang, ein Meister mit nordfranzösischen Anschauun- 
gen war hier ans Werk gekommen. Er bringt auch den offenen Strebe- 
bogen konsequent zur Anwendung, gegen den sonst, wie wir wissen, die 
deutschen Bauleute, auch die französisch gebildeten und unter ihnen die 
zisterziensischen am meisten, eine _zähe Abneigung bewahrten. Wie 
dieser Meister keine eigenen Gedanken hatte, so zeigt er auch in der Aus- 
führung eine rauhe und ungefällige Hand. Als Beweis, daß das romanische 
Stilgefühl gegen die Mitte des Jahrhunderts im Erlöschen war, verdient 
auch dieser an sich mittelmäßige Bau Beachtung. (Vom Langhause, 
das der nächsten Periodeangehört, haben wir hier noch nicht zu sprechen.) 
Westfalen. In dieser konservativ gesinnten, fest an ihren eigenen 
Traditionen haltenden Landschaft ist die zweite Rezeptionsstufe gegen 
die erste weniger scharf abgezeichnet. Bauten wie das Langhaus des 
Domes von Paderborn (begonnen zwischen 1233 und 1241, beendet 
1267) und die ihr nahe verwandte Münsterkirche in Herford müssen 
ihr aber doch zugerechnet werden (Abb. 129 a). Der Einfluß der west- 
französischen Hallenkirchen, von dem wir schon gesprochen haben 
(S. 276), erreicht hier seinen Höhepunkt. Das nächste Vorbild war die 
Kathedrale von Poitiers (Abb. Izgb). Ihr wird das freiere Raumgefühl 
verdankt, die Streckung in die Länge und Höhe, durch die sich dieser
	        
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