hlittelromanische Baukunst.
der
Von
aufgebaut hatten. Das galt von der Lombardei, es gilt bis zu einem ge-
wissen Grade _auch von Oberdeutschland. Wie die Freunde rassenpsycho-
logischer Ableitungen diese Tatsachen deuten werden, bleibe dahin-
gestellt; am wenigstens jedenfalls können sie Beweise für den spezifisch
germanischen Charakter des Tierornaments sein. Nicht von vornherein
abzuweisen aber wäre ein Zusammenhang mit der aus endlosen Mischun-
gen hervorgegangenen alten Völkerwanderungskunst. Daß die Verbin-
dungsglieder fehlen, kann nicht auffallen. Begreiflicherweise hat die auf
antike Form und christlichen Inhalt gerichtete Kunst der Kirche das
Tierornament ausgeschlossen; sehr wohl möglich wäre aber ein Fortleben
in der volkstümlich gewerblichen Kunst, nur eben, daß aus dieser nichts
auf uns gekommen ist. Hin und wieder finden wir selbst im kirchlichen
Gerät eine Andeutung darauf, wie beispielsweise in den Leuchtern des
hl. Bernward, von denen wir unten im 5. Kapitel sprechen werden. Eine
der Quellen der Völkerwanderungskunst hatte in Vorderasien gelegen,
und diese versiegte auch später nicht. Auf sassanidischen und byzantini-
sehen Gewebemustern, die im Zeitalter der Kreuzzüge zunehmend reich-
lich ins Abendland kamen, spielt das Tierornament eine beträcht-
liche Rolle, und manches in der romanischen Bauverzierung, wie z. B.
die symmetrisch neben einem Baum angeordneten Löwen- oder Drachen-
paare in Türbogenfeldern, ist direkt von hier entlehnt. Das Verdienst der
lombardischen Steinmetzen war die Übermittlung einer für die Plastik
zurechtgemachten Darstellungsform, ein schlechthin Neues brachten sie
nicht. Tatsache bleibt das gesteigerte Vergnügen des I2. Jahrhunderts
an der ornamentalen Verwendung der Tiergestalt. Sie ist, wir wieder-
holen es, nicht auf Deutschland beschränkt, vielmehr eine allgemeine
Zeiterscheinung. Es fehlt auch nicht an einer Parallele in der Literatur-
geschichte. Am Anfang des II. Jahrhunderts um dieselbe Zeit, der in
Quedlinburg die ältesten uns im Steinornament bekannten Tierdar-
stellungen angehören-entstand in Flandern die älteste Version des Epos
von Reinhart dem Fuchs. Um 1170, als die Kirche von Rosheim im Elsaß
ihr steinernes Bestiarium erhielt, faßte der Elsässer Heinrich der Glichezare
die Geschichte von Reinhart in hochdeutsche Verse. Man weiß aber, daß
das deutsche Tierepos nicht urdeutsch ist, sondern auf die Äsopischen
Fabeln und allerletztens auf eine orientalische Wurzel zurückgeht. Ganz
denselben Stammbaum hat das Tierornament. Wer wollte indessen
leugnen, daß die deutsche Phantasie den einen wie den andern Stoff sich
vollständig angeglichen hat?