Mittelfomänische
Baukunst.
Heinrichs
Spätze-it
der sechstürmigen Gruppe nicht lassen wollte. In den viertürmigen
Kompositionen sind die Türme nicht mehr Beigeordnete eines mächtigeren
Mittelmotivs, sie dürfen deshalb sich freier in die Höhe recken, der in den
isolierten Glockentürmen ursprünglich gegebenen Gestalt sich nähern.
Doch immer wird zwischen Ost- und Westtürmen weislich unterschieden.
Jene sollen neben der Masse des Chorhauses nicht zu stark sich geltend
machen; umgekehrt die Westtürme, weil nach Abstoßung des zweiten
Chors keine horizontalen Ausladungen mit ihnen konkurrieren, lassen dem
Bewegungsüberschuß freien Lauf im Aufwärtsstreben. Aber selbst hier
an den Fassadentürmen, wo für das moderne Gefühl Symmetrie uner-
läßlich wäre, kann der romanische Stil oft genug es sich nicht versagen,
den beiden Partnern ein gewisses Maß von Sonderwillen zuzugestehen,
indem nur die Geschoßhöhe gleich, aber die Einzelausbildung oft genug
ungleich gegeben wird.
Was wir bisher betrachtet haben, ist Gliederung der Massen im ganzen,
gehört sozusagen zur Ästhetik des Schattenrisses. Eine zweite Ordnung
von Formen, der wir uns nun zuwenden, verfolgt das Ziel, die großen
Flächen zu teilen und aus der latenten Massenbewegung in sich abge-
schlossene F ormsymbole herauszukristallisieren. Dieser immer noch
architektonisch, nicht dekorativ gemeinten Gliederung können sich rein
dekorative Motive anschließen, "wovon aber unsere Epoche erst sparsam
Gebrauch macht. Bestimmte, zwecklich bedeutsame Bauteile, nämlich
die Hauptapsis, die Eingänge und die Glockengeschosse der Türme, werden
lebhafter gegliedert. Niemals aber hat die deutsche Baukunst die Fassaden
als isolierte Schaustücke behandelt, wie mehrere französische Schulen
und fast alle italienischen es tun (zuweilen Marmorfassaden vor Backstein-
langhäusernl), vielmehr ist Einheit der Substanz und der Behandlung
für sie eine unverbrüchliche Regel. Das schon in der vorigen Epoche
rezipierte Hauptmittel der Flächengliederung ist die Lisene und der
Bogenfries. Es gibt aber vornehme Bauten, die auf sie verzichten und
allein auf den würdevollen Eindruck eines schönen Quaderwerks sich ver-
lassen. Erst das I2. Jahrhundert hat den Großquaderverband zum
Gemeingut gemacht, vorbehalten, daß die heimischen Steinarten sich
dazu eigneten. Am Mittel- und Niederrhein z. B. werden oft die Flächen
in Schieferbruchstein, nur die Glieder in Werkstücken aus Tuff oder Sand-
stein gegeben unter geschickter Ausnutzung der malerischen Gegensätze.
Zu den schönsten Eingebungennder Bauphantasie des I2. Jahrhunderts,
wesentlich ein Verdienst der westdeutschen Schulen, gehört die Gestaltung,
die sie der Chorapsis gab (Beispiele Abb. 178, 181, 191). Ein Gerüst senk-
rechter bald als Lisene, bald als Halbsäule geformter und wage-
rechter Glieder Gesimse, bald mit, bald ohne Bogenfries umkleidet
die Mauer in dreiteiligem Aufbau: das untere Geschoß als Sockel, in der
relativen Höhenabmessung sehr wechselnd; das mittlere dominierend,