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Anhydrit
Anilin
Anhydrit (Karftenit, Muriazit), ein wafferfreies Kalkfulfat I CaSO4
(41,2"fo Kalkerde, 58,8"j„ Schwefelfäure), kriftalliüert rhombifch, aber fehr felten
und in kleinen Formen; meift derb und kriltallin; farblos oder rot, blau, grau;
glas- und fettglänzend. l-lärte:3 (härter als Gips), Ipez. Gew. 2,8-3. Schmilzt
fchwer und wird von Säuren wenig angegriffen. In konzentrierter Schwefelfäure
vollkommen löslich, von kohlenfauren Alkalien zerlegbar.
Nimmt bei zudringender Feuchtigkeit langfam und allmählich Waffer auf und vergrößert
dabei fein Volumen um etwa GOVO und geht in Gips über. Diefe Umwandlung und diefes
Auffchwellen der Anhydritfchichten war für die Erhaltung der faft durchweg unter Schichten-
ftößen mit Anhydrit geborgenen Lager von Steinfalz (z. B. im füddeutfchen mittleren Mufchel-
kalk) oder Steinfalz und Kali (im Zechftein Norddeutfchlands) von befonderer Bedeutung.
Zudringende Tagwaffer wurden unfchädlich gemacht (,Gipshut" mancher fogenannfen ,Salz-
horite"). Zugleich verfchloß das Auffchwellen der Anhydritlager bei ihrer Umwandlung in Gips
die Kluftwege und Sickerbahnen der Waffer und fchützte dadurch die Salzlager der Tiefe.
Umgekehrt begegnen dem Ingenieur durch den Gebirgsdruck in folchen in Umfetzung begriffenen
Anhydritlagern des Berginnern oft große Schwierigkeiten beim Bau von Stollen, Tunnelausbruch uff.
Von der Verwendung von Anhydrit (z. B. Stollenausbruch von Anhydritfels) zu Beton ift zu warnen.
Der bei Vulpino (Bergamo in Oberitalien) gefundene graubraune Anhydrit (Vulpinit) eignet {ich zu
Bildhauerzwecken, Herltellung von Tifchplatteii ufw. (Marmor bardiglio di Bergamo). Brduhüufer
Anilin (Anilinum, Anil, Amidobenzol, Phenylamin) gehört zu
den aromatifchen Bafen und befitzt die Zufammenfetzung CGHS HNZ. Es ift
eine der wichtigften und technifch bedeutendften Verbindungen der organifchen
Chemie, da es das Ausgangsmaterial für die große Reihe der Anilinfarben
(f. Farbftoffe, künftliche organifche) bildet.
Das Anilin itt eine farblofe, ölige Flüfiigkeit von fchwachem, nicht unangenehmem Geruch
und von aromatifch-brennendem Gefchmack. Spez. Gew. 1,0254 bei I5", Siedepunkt 182" bei
760 mm Druck. In ganz reinem Zuftand erftarrt es in der Kälte und fchmilzt bei An
der Luft färbt es {ich unter allmählicher Verharzung braun; in Waffer ift es fchwer, in Alkohol
und Aether leicht löslich. In der Hitze verdrängt es das Ammoniak aus deffen Salzen, während
in der Kälte die umgekehrte Reaktion verläuft. Anilin iit ftark giftig; Gegengifte: Kaffee, Kämpfer,
Aether. Durch Chlorkalk wird eine Anilinlöfung purpurviolett, ein Fichtenfpan durch Befeuchten
mit einer Anilinfalzlöfung gefb gefärbt. Mit Kaliumdichromat und Schwefelfäure liefert das
Anilin I-Iydrochinon und Chinon. Mit Kaliumpermanganat in alkalifcher Löfung erhält
man Azobenzol. Mit Säure verbindet {ich das Anilin zu gut kriitallifierenden Anilin- oder
Phenylammoniumfalzen. Diefelben tind meift ungefärbte, in feuchtem Zuitande rötlich bis violett
gefärbte Verbindungen. Die Salze des Anilins erhält man durch Sättigung derfelben mit der
betreffenden Säure, z. B. falzfaures Anilin CsHö -HN2HCI, fchwefelfaures Anilin (CeHä- NH2),
11,804. Die wäfferige Löfung der Anilinfalze färbt Fichtenholz und Holundermark inteniiv gelb
(Runge). Diefe Eigenfchaft benutzt man zum Nachweis des Holzfchliffs im Papier. Durch Ein-
wirkung von falpetriger Säure auf die Anilinfalze in wäfferiger Löfung entliehen die ent-
fprechenden Salze des Diazobenzols, z. B. C6H5 N: N- Cl Diazobenzolchlorid; wirkt dagegen
die falpetrige Säure auf freies Anilin in alkoholifcher oder ätherifcher Löfung, fo entfteht
Diazoamidobenzol CöHb-Nz-N-NH- C6115 (f. Diazoverbindungen). Unterchlorigfaure
Salze rufen in wäfferiger nicht faurer Anilinlöfung eine violette Färbung hervor. Das Anilin
liefert zwei Reihen von Subftitutionsprodukten. Die erften enthalten die Subftituenten im
Benzolkern, treten als Mono-, Bi- und Trifubftitutionsprodukte und in den verfchiedenen Ifomeren
auf (tIAromatifche Verbindungen) und werden entweder durch direkte Subftitution
oder durch Reduktion der entfprechenden Nitroverbindungen gebildet (f. a.A r o m a t i fc h e B a fe n).
Die zweiten entttehen durch Erfatz des WaiTerItoffs der Amidogruppe durch Alkohol- bzw.
Säureradikale. Man erhält fie durch Einwirkung der Alkylbromide oder Jodide bzw. der Säure-
chloride oder -anhydride auf Anilin. Die durch Säureradikale fubltituierten Aniline lind die
fogenannten Säureanilide, unter denen das Azetanilid oder Antifebrin das bekanntefte ift.
Von den Alkylfubftitutionsprodukten feien Methyl- und Dimethylanilin erwähnt, die zur Dar-
Itellung von Farbitoffen große technifche Bedeutung befitzen:
CGHE NH- CH, (JGHE N(CH3)2
Methylanilin Dimethylanilin
Anilin wird in größtem Maßftab durch Reduktion des Nitrobenzols mit Eifenfeile und
Salzfäure (früher nahm man Effigfäure) gewonnen. Die Reduktion nimmt man in gußeifernen,
mit Rührwerk verfehenen Zylindern vor, indem man 100 Teile Nitrobenzol mit etwa der gleichen
Gewichtsmenge Waffer übergießt und in das Gemifch allmählich 100 Teile Eifenfeile und
5-10 Teile roher Salzfäure einträgt. Diefe geringe Menge Salzfäure reicht zur Reduktion aus,
weil das zunächft gebildete Eifenchlorür als Reduktionsiibertrager wirkt:
CGHE, N02 4- 3 Fe -l- 6HCl : CGHE NH, -l- 3 FeClz 4- 2 H20
C6116 N0, -l- 2Fe-le 4 H20: CSHS NH, -l- Fe2(OH),.
Nach beendigter Reduktion fügt man Kalziumhydroxyd zu und deitilliert das gebildete
Anilin mit gefpanntem Dampf ab. Diefes Rohprodukt, Anilinöl, wird teilweife auf reines
Anilin verarbeitet. Das Anilin dient zufammen mit Toluidin zur Daritellung der Anilin- oder
Teerfarbiioffe. Mezger