oberen Ende des Steines enthält ein Relief des Gekreuzigten mit Maria und Johannes,
ganz mit jenem des Törring-Steines verwandt, und dem bayerischen und österreichischen
Wappen. Zeitlich schliesst sich der Grabstein von Oswald von Weichs, gest. 1494, und
seiner Frau Elsbeth in der Kirche von Indersdorf an.1 Die beiden knienden Figuren der
Verstorbenen in der oberen Hälfte decken sich in Auffassung, Stellung und handwerks-
mässiger Ausführung engstens mit den Stiftern, die beiden Wappen der unteren Hälfte
in der Schildform und dem Schnitt der Helmzier mit dem Törring-Stein. Endlich ist
demselben Steinmetzen noch die grosse Grabplatte des Stephan von Schmichen zu
Wackerstein, gest. 1495, in der ehemaligen Klosterkirche von Diessen mit der lebens-
grossen, aber schwächlichen Flachrelieffigur des Ritters zuzuschreiben? Ihr schliesst
sich als letztes Werk der gleichen Hand der Törring-Stein von Andechs aus der gleichen
Zeit an. Keine der erwähnten Arbeiten erhebt sich über ein bescheidenes Handwerks-
können hinaus, und man kann nicht gut annehmen, dass derartig minderwertige Ar-
beiten in Grassers Werkstatt, also sozusagen unter seinen Augen, entstanden. Es sind
offenbar Produkte eines in der alten Schule erwachsenen Bildhauers, der zwar in den:
Törring-Stein sich nicht dem Einfluss Grassers entziehen konnte, im übrigen aber saft-
und kraftlos neben dem stärkeren Zeitgenossen stand. Wahrscheinlich haben wir in ihm
den gleichen Meister zu erblicken, der im Jahre 1480 die oben erwähnte Votivsäule
Herzog Albrechts IV. von Bayern fertigte?
Lässt diese Gruppe um den Andechser Törring-Stein immerhin noch ihre Herkunft
aus der Münchener Schule erkennen, so entbehrt eine andere Zuschreibung an Grasser
selbst für den Schul- oder Werkstattbereich jeder Berechtigung und Begründung.
Hager glaubte auf Grund der Stiftungsurkunde des Benefiziums der Kirche von Frauen-
ried im Bez-Amt Miesbach von 1486, in der Erasmus Grasser als Zeuge erscheint, den
Schluss ziehen zu dürfen, dass die beiden von einer Art Hochgrab herrührenden Grab-
steine der Heiligen Marinus und Anianus in der Kirche von Wilparting von der Hand
des Münchener Meisters stammen?
Ohne diese archivalische Notiz hätte wohl niemals eine solche Vermutung auf-
tauchen können ; denn irgendwelche stilistische Gründe, die zu diesem Schluss berech-
tigen könnten, sind nicht gegeben. Die beiden Heiligen, Marinus als Bischof, Anianus
als Diakon, sind in ganzer Figur dargestellt; die Köpfe ruhen auf Kissen. Um" die
Schräge läuft die Inschrift, an je drei Seiten und an den Ecken durch kleine kragstein-
artige Prophetenbüsten mit Spruchbändern unterbrochen. Der weiche Sandstein war
starker Verwitterung und rohen Eingriffen, vor allem durch derbe Übermalung, unter-
worfen, wodurch die ehemaligen Feinheiten in der Modellierung, wie solche immer noch
etwa beim Kopfe des hl. Marinus und bei einzelnen Prophetenbüsten zutage treten, stark
gelitten haben. Aber gerade diese besser erhaltenen Teile tragen nichts von Grassers
Abbildung.
K. D. B. I. S. 298, woselbst Abbildun
K. D. B. I. S. 521.
Siehe S. 65.
K. D. B. I. S. 1530 und Anmerkung