gelangt, wie etwa die koreanischen Statuetten der Suikozeit; so birgt die Figur Tafel 56
ähnliche Reize vegetabiler Leichtigkeit und malerischer Vereinheitlichung der Körperform
wie diese. Der grundlegende Unterschied aber liegt in dem Ausgangspunkt der formalen
Gestaltung: bei den älteren Werken (Tafel 38) bildet der säulenförmige Kern die Grunde
form, dieser wird gemäß der Körpervorstellung gegliedert; hier aber steht am Anfang
der organisch-vielfältige Körper, der in plastische Bildmäßigkeit übersetzt und dann
malerisch vereinheitlicht wird, so daß der in Naturhaftigkeit zersprengte Körper wieder
verbildlicht wird. So gelangt diese Richtung zu Formresultaten, die früher bereits unter
anderen Voraussetzungen aktuell waren und scheinbar verlorengingen, nur daß der
Formkreis, auf den die neue Auswertung der malerischen Formen nunmehr zurücka
greift, ein ungleich größerer, oder vorsichtiger ausgedrückt, ein anderer geworden ist.
Vielleicht läßt sich daran die Vermutung knüpfen, daß es sich hier um eine Reaktion
des koreanischen Stilempfindens gegenüber der chinesischen Forminvasion handelt; die
älteren koreanischen Gruppen zeigten jedenfalls eine ähnliche empfindungsgemäße Eine
stellung der Bildform gegenüber wie Figur Tafel 187. Im folgenden Kapitel werden wir
aber sehen, daß diese Formauffassung nicht ohne Einfluß des Stiles der chinesischen
Tonstatuetten geblieben ist.
Bei beiden Gruppen dieser zweiten Stilphase der Hakuhozeit wird der Formausa
druck durch die gegenseitige Begrenzung idealisierender Verbildlichung und naturgemäßer
Anschaulichkeit bestimmt. Dies Doppelspiel von Lebendigkeit beobachteter Erscheinungen
und Sachlichkeit bildmäßig erdachter Zustände verleiht diesen Werken ihren eigenartigen
und besonderen Reiz. Wir erkennen jetzt in den Auswirkungen immer deutlicher,
welche gewaltige Konsequenzen jener Gesinnungswechsel, den wir von der Mitte des
Jahrhunderts ab feststellen konnten, verursacht hat. Für den Ausdrucksgehalt der Bilde
werke ist nicht mehr die innere Monumentalität einer umfassenden, vergeistigten Welt,
empfindung maßgebend, sondern die Intensität einer wirklichkeitsfrohen Lebensgesinnung,
die sich lediglich an den geistigen Normen der buddhistischen Gesetzgebung orientiert. So
erhält der Bildausdruck eine ganz andere Inhaltsgebung: Nicht mehr die weltfremde, schwere
Unzugänglichkeit, die Ruhe der Vollendung, das geheimnisvolle Lächeln, das Verhüllen
der inneren Erregtheit, die ungeheuere Anteilnahme an seelischen Vorgängen, die Er,
griifenheit heiliger Würde und die Feierlichkeit des Vollkommenen machen die Grunde
stimmung aus, sondern eine leichte Sorglosigkeit, frohe Unbekümmertheit, sinnende
Ruhe und ernstes Lächeln, Charme, Grazie und liebliche Offenheit. Die alten Werke
ließen sich nicht so leicht erschließen; eine lange Arbeit des Sehens und Nachdenkens
und eine große innere Bereitschaft und ruhige Geduld war nötig; hier aber wird das
ästhetische Gefühl viel leichter entzündet, die Sinne werden unmittelbarer angeregt, der
ganze Körper fühlt mit, wird sofort ergriffen. Man sucht unwillkürlich mit den Händen
die Bildform nachzutasten und die Augen ergründen in der Anschaulichkeit der Obere
fläche das innere Wesen der Gestalt, wo früher das Herz einen langen Weg zu gehen
hatte. Durch die Tradition mit der älteren Zeit und durch die Diszipliniertheit der inneren
Empfindung artet die leichtere Gesinnung aber nie in unkeusche Willkür oder unruhige
Belanglosigkeit aus, die freiere Formgebung nie in Sinnlichkeit oder imitative Ver,
äußerung. Der Geist des Buddhzv und Bodhisattvatums bleibt unangetastet; er gibt
aller Gesinnung eine geheiligte Gesetzmäßigkeit, aller Naturform den großen Maß,
stab seiner Vollkommenheit und ewigen Ruhe und aller Formgebung die Eigentüm-
lichkeit innerer Schönheit und äußerer Zurückhaltung. Immer ist es die bildmäßige und
nicht die naturalistische Anschaulichkeit, die diesen Werken die größere und unmittela
barere Ausdrucksoffenheit gibt. Diese kurzen Andeutungen mögen genügen, um zu dem
Geist der folgenden Werke, mit denen unsere Arbeit abschließt, hinüberzuleiten.