Volltext: Buddhistische Plastik in Japan bis in den Beginn des 8. Jahrhunderts n. Chr. (Textbd.)

Nebenfiguren Tafel 158 zusammenstellen. Die seitliche Versteifung des Gewandes, eine 
deutliche Anlehnung an das Stilprinzip der Suikozeit, bildet ein wesentliches Komposir 
tionsmotiv. Fächerförmig entwickelt sich die frontal zugeschnittene Bildform; der Kopf 
bildet den höchsten und den plastisch am weitesten vorgebauten Teil, gewissermaßen 
den Fächerknauf; von den schmalen, doch runden Schultern abwärts breitet sich die 
Vorderansicht gleichmäßig nach unten aus, wobei die plastische Stärke in demselben 
Maße abnimmt, wie die Breite zunimmt. Der Überhang ist kürzer als bei den Figuren 167 
und 170 und als bauschige Masse behandelt; der Halsausschnitt liegt als dicker Wulst 
auf; nach unten nimmt die Auskurvung der symmetrischen Faltenbögen zu unter Ab, 
flachung der Oberfläche, so daß die unterste Falte nur noch eine eingekerbte Rille ist, 
während die oberen Faltenteile als schräge Hügel mit abgeflachten, muldenförmigen 
Seiten gegeneinander liegen. Der untere Gewandabschluß ist als ein gleichmäßig geß 
falteter Saum gefaßt. Es handelt sich also um eine einheitliche Entwicklung von Breite 
und Tiefe im Rahmen frontalen Profilzusammenhanges, der die Körperhaftigkeit der 
Gestalt und die Freiheit des Gestus vollkommen untergeordnet werden. Die architektow 
nische Grundform ist malerischlreliefmäßig umgeformt. Erstaunlich ist der "Schmiß" 
der Arbeit und die freie, fast impressionistische Auffassung, die mit allen natürlichen 
Verhältnissen unbekümmert um reale Gebundenheit im Sinne eines formalen Einfalles 
wirtschaftet, ohne daß dabei die organischen und stofflichen Einzelheiten besonders 
entmaterialisiert werden. Im Vordergrund steht die bildmäßige Klarheit des Aufbaues 
die auf alte Formmotive zurückgeht, aber auf rundplastischer Grundlage fußt; an Stelle 
der architektonisch gegliederten Wand ist das malerisch bewegte Relief getreten. Auch 
der Heiligenschein zeigt eine gewisse Auflösung der zusammenhängenden Linienmotive 
in ein bewegteres Lichte und Schattenspiel. Die stofflich einheitliche Gegebenheit des 
Gewandes bildet den Hauptgehalt des Forminhaltes; Körper, Gestus und innerer Auv 
druck treten dagegen ganz zurück. Es wäre wohl zu hart, in diesem Falle von formaler 
Spielerei zu reden, aber wir müssen doch zugeben, daß es sich dabei um eine Abwandlung 
der immer noch ernsthaften und gediegenen Empfindung des archaisierenden Stiles in 
eine etwas undisziplinierte und willkürliche Formauffassung handelt, die  ohne die 
körperlichen Voraussetzungen zu stilistischen Abstraktionen umzubilden  mit diesen 
frei schaltet, weniger baut und formt als lediglich arrangiert. Diese äußerst persönliche 
Formbehandlung läßt das Werk schwer datieren; wie die Figur Tafel 170 so ist aber 
auch diese im Rahmen der hier besprochenen Werke am leichtesten zu verstehen; sie 
bilden die Ausläufer des archaisierenden Stiles. Im ersteren Falle handelt es sich um 
eine stofflichvrealistische, im anderen Falle um eine dekorative impressionistische 
Umwertung des späten Hakuhostiles. Von irgend welchen imitativen Absichten ist die 
Formgebung dabei weit entfernt, ist jedoch von allen rein ideellen Voraussetzungen 
gelöst. Die strenge geistige Tradition ist aufgegeben; die Einheit der Stilauffassung geht 
zugunsten persönlicher Formphantasie verloren. Die alten Motive bilden keine zwingenden 
Notwendigkeiten mehr, wurzeln nicht mehr in unumgänglichen Begriffen, sondern sind 
reine Formmittel, die je nach Einfall und Bedürfnis angewandt und verwertet werden. 
So groß auch die Rückbildung und der altertümliche Eindruck manchmal ist, verleugnet 
sich doch nie die Abhängigkeit von der späteren Zeit. So steht auf der einen Seite die 
Symmetrie, Flächigkeit, Profileinheit, Frontalität, das lineare Gleichmaß u. a. m., auf 
der anderen Seite aber: räumliche Weite, natürliche Verhältnisse, malerische Einordnung 
der körperlichen Einzelheiten, die Häufung äußerlicher Motive und dielrundplastische G0 
wandanordnung. Daß aus diesen gegensätzlichen Formmotiven dennoch immer wieder 
künstlerische Einheiten werden, zeugt für die Stärke des Formwillens, der einen so reichen 
Formschatz beherrscht, für die Weite des Horizontes der künstlerischen Phantasie und 
für die selbständige Freiheit der formalen Gesetzgebung.
	        
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