Zweites Kapitel.
Die erste Hälfte des 19.
Jahrhunderts.
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die Bürger aller Stände sich zu ähnlichen Genossenschaften verbunden
hätten 1. Der Ursprung der Zünfte ist somit weder aus einem hof-
rechtlichen Verhältnis der Handwerker noch aus der gewerblichen
Polizeiaufsicht herzuleiten; sondern es sind freie Genossenschaften
der Handwerker, die sich nach dem Muster der von Wilda allgemein
vorausgesetzten großen Stadtgilden gebildet haben.
„Dem Verfasser ist keine Stelle bekannt, die es auch nur einigermaßen
deutlich ausspräche, daß die Meisterschaft dem Hofrecht ihren Ursprung ver-
danke und mit den zu leistenden Diensten zusammenhängt. Die Zünfte sind
nicht aus der Unterordnung und Abhängigkeit entstanden aus
der Freiheit des Handwerksstandes sind sie hervorgegangen. Wie
ihre Mitbürger, frei ihre eignen Angelegenheiten zu ordnen und im Leben und
in Sitte es ihnen gleich zu tun, strebten sie; so sind die fr e i e n G e n o s s e n
schaften, die Verbrüderungen der Handwerker entstanden
Für die Entstehung der genossenschaftlichen Einungen der Handwerker läßt
sich im allgemeinen ein bestimmter Zeitpunkt nicht angeben. Sobald an
einem Ort die Handwerker in Bruderschaften zusammentreten, darf man mit
ziemlicher Gewißheit voraussetzen, daß die B ü r g e r im e n g e r n S i n n
d es Wor tes, mochte ihr Verein nun öffentlich anerkannt sein oder nicht,
gilfienmäßig verbunden waren. Allgemeinere Bemerkungen der Art
lassen sich weniger durch historische Zeugnisse erweisen, weil einzelne Beispiele
hier zum Erweise nicht genügen können. Man beachte aber, wie die Statuten
der Handwerksinnungen in vielen Stücken, besonders in ihrer Gesellschafts-
verfassung, mit denen der Altbürger- und Kaufmannsgilden übereinstimmen, und.
man wird doch diese nicht für Nachbildungen von jenen halten wollen"
Die Bezeichnungen Gilden, Zünite, Innungen, Ämter, Bruderschaften sind
g l e i c h b e d e u t e n d und ursprünglich nur geographisch verschieden gewesen";
S. 306 f., 311 f., 288 und 308. Der Sperrdruck des Originals ist beibehalten.
Wilda gibt seinen Darlegungen über die Zünfte die Form eines An-
griffs auf E i c h h o r n. Trotz dieser polemischen Zuspitzung handelt
es sich indes nicht um einen nur persönlichen, sondern vielmehr um
einen allgemeinen Gegensatz; Wilda setzt sich in Widerspruch mit
der seither von den Historikern zumeist befolgten Forschungsweise
und Methode. Unser sachliches Interesse an der Wildaschen Arbeit
ist indes auf einen zweiten Umstand gegründet; Verfasser bringt
bereits im wesentlichen sämtliche Argumente vor, die während der
jüngsten Zeit von neueren Zunftforschern benutzt worden sind. Die
Übereinstimmung ist mitunter eine wörtliche; auch die methodo-
logischen Grundanschauungen sind die gleichen und zeigen sich in
folgenden bemerkenswerten Einzelheiten:
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