Zweites Kapitel.
Die erste Hälfte des 19.
Jahrhunderts.
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geboten werden. An diese Vorbedingungen ist die Institutionenlehre
gebunden, und erst wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, kann
sie den Wettbewerb mit anderen Darstellungsmethoden aufnehmen.
Nach den beiden Richtungen der Materialbeschaffung und der wissen-
schaftlichen Durcharbeitung hat das 19. Jahrhundert außerordent-
liches geleistet und, Schritt für Schritt vorgehend, die Möglichkeit
einer zureichenden institutionsgeschichtlichen Darstellung geschaffen.
Es ist eine aufbauende Arbeit, bei der die Ergebnisse überliefert und
fortgebildet werden und bei der jeder Nachfolger am Werke die von
seinem Vormann hergestellte Grundlage nutzt. Unsere Erörterung
will den Versuch machen, diese Entwicklung, wenn auch nur in ihren
Grundlinien, zu schildern.
Die Anschauungen in den Staatswissenschaften
standen zu Beginn des 19. Jahrhunderts in Deutschland vielfach
unter dem Einfluß der individualistischen Auffassungen, wie sie
namentlich in den anerkannten Werken der englischen Schriftsteller
vertreten wurden. Eine gewisse Selbständigkeit der Auffassung be-
kundet J u l. G r a f v o n S o d e n , der in seinem achtbäudigen
Werk „Die Nationalökonomie, ein philosophischer Versuch", auf den
Ursprung des Zunftwesens zu sprechen kommt:
"Außer den politischen Zeitverhältnissen, welche, zeug der Geschichte, das
Zunftsystem herbeigeführt und ihm allmählich seine jetzige Gestalt gegeben
haben, scheint die reine Quelle doch wohl in dem Streben gesucht werden
zu müssen, den Gewerben einen gewissen Grad von Vollkommenheit teils zu
erringen, teils zu bewahren; daher die Klassifikation und Abstufung der
Gewerbetreibenden und deren Abteilung in Lehrlinge, Gesellen und Meister.
Daher die Bestimmung der Lehrjahre, des Meisterstücks, der Wanderjahre
usw. D a h e r auch die bestimmte geschlossene Zahl der Meister." Die National-
ökonomie, Aarau 1816 Bd. VI S. 208.
Die Grundlage des Zunftwesens ist eine doppelte, eine allgemeine
politische und als die bedeutsamere eine gewerbepolitische.
In der Bewertung der gewerblichen Triebkräfte, die als die „reine
Quelle des Zunftwesens" anzusehen ist, zeigt Graf Soden im Ver-
gleich zu seinen Vorgängern eine beachtenswerte Freiheit von Vor-
Urteilen; keineswegs ging das Streben der ersten Zünfte nach der
Erlangung von gewerblichen Vorteilen und nach Ausschließung. Die
zünftige Organisation dient vielmehr der Erringung und Behauptung