Die Entstehung des Zunftwesens.
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zurückgedrängt wird mit Hilfe eines Privilegs, das der Bischof von dem
in Basel weilenden Kaiser Friedrich II. im Jahre 1218 erwirkte 1.
Der Gegnerschaft des städtischen Rats gegen die Zünfte entstammt
ferner die Urkunde Friedrichs II. vom Jahre 1219, durch die die Eides-
verbündnisse und Innungen in Goslar untersagt wurden (oben S. 13).
Das Privileg, das sich lediglich auf Goslar bezieht, ist auf Betreiben
und zugunsten des städtischen Rats gegeben. Die gleiche Bedeutung
hat eine Vorschrift des Stadtrechts von Löwenberg von 1217, die die
Errichtung von Innungen in der Stadt verbietet.
Bezüglich der Goslarer Urkunde wird in der Literatur mitunter angenommen,
daß Friedrich II. die Zünfte allgemein (also nicht nur örtlich für Goslar) verboten
und sich hierbei als Gegner der Innungen gezeigt habe; die Annahme ist indes
nicht zutreffend. Die Wirkung des Goslarer Privilegs richtete sich überdies nur
auf die von dem Rat angestrebte Beseitigung der politischen Rechte und die Un-
ubhängigkeit der örtlichen Zünfte, schwerlich aber auf die gewerherechtliche
Stellung, die wohl erhalten blieb. Die alten Rechte wurden dem Goslarer Hand-
werk durch Rudolf von Habsburg ausdrücklich zurückgegeben. Das sogenannte
Löwenberger Stadtrecht von 1217 ist eine Aufzeichnung der von Heinrich I und
Boleslaw II der Stadt in verschiedenen Jahren erteilten Rechte (Tschzoppe 8c Stenzel.
Urkundensammlung 1832). Die seither mißverständlich ausgelegte Stelle lautet:
,.l-Ie gap in ouch daz si win sullen schencken und nimande nicht davon gebin. da in
sal auch nimmer kein voitdinc inne gesin noch inninge". Der Herausgeber, dem
die Literatur bisher gefolgt ist, erläuterte den Artikel dahin: „Es soll der Vogt
in Angelegenheit des Weinverkaufs nicht zu sprechen haben (sondern die Rat-
männer) und dieser zu keiner Innung werden, sondern frei stehen". Diesen Sinn
hat die Vorschrift indes nicht; ein Vogtding über den NVc-inschank wäre eine der
Sache und dem Ausdruck nach ungewöhnliche Einrichtung. Die Urkunde verleiht
vielmehr den städtischen Bürgern das Recht des abgabenfreien Weinschanks; ferner
wird der Stadt die Freiheit von dem Vogtding und das eigene Stadtgericht (Gericht
der Ratsleute in der Urkunde) bewilligt; endlich werden, genau wie in Goslar, die
Innungen der Handwerker verboten, so daß die Einrichtung der Handwerker-
verbände in die Abhängigkeit vom städtischen Bat gelangt.
Eine Anzahl anderer Urkunden wiederum zeigt uns die Privilegierung
von Handwerkerverbänden durch die herrschaftlichen Gewalten, die
als Begünstiger der zunftmäßigen Organisation erscheinen 2. Die
Kräfteverteilung im allgemeinen dagegen, wie sie sich während der Ent-
stehungszeit des Zunftwesens darstellt, ergibt sich aus der Gesamtheit.
unseres urkundlichen Materials. Zweifellos hat das Schwergewicht
der Massen einen Druck auf die Entwicklung ausgeübt. Wir sehen
im einzelnen, wie das Handwerk R ech te erwirbt, bevo r
Fechter
S. auch oben
7a
S.
Heusler S. 108, Geering
62, 77, 91, 279 und 287.