139
er durch das Experiment, sowie durch Anführung einer Reihe von Aus-
sagen, die von Besitzern von Zinnlagern herrührten.
F r i tz s c h e beschrieb sehr genau den eigentümlichen Zustand,
in dem er die Zinnblöcke vorgefunden. Die kranken Blöcke waren
an einzelnen Stellen bröckelig, an anderen Stellen zeigten sich warzen-
artige Anschwellungen, während große Flächen tiefgehende Aufblähungen
aufwiesen. Das Metall hatte seinen Metallcharaktei eingebüßt, hatte
den typischen Glanz verloren und besaß eine strahlige Struktur. Durch
Schmelzen wurde es wieder verwendbar.
Manche Blöcke waren ihrer ganzen Masse nach verändert. Sie be-
standen nur noch aus einem sandigen Pulver oder faserigen Körnern
von verschiedener Größe, die nur losen Zusammenhang hatten. Bei
künstlicher, dauernder Abkühlung eines Zinnblockes stellte Fritzsche
fest, daß sich einzelne getrennte Krankheitsherde bildeten, die die
Zentren zur Bildung ganzer Nester von Warzen und Säulen wurden.
Außer anderen Gelehrten hat sich vor allen der oben genannte
Utrechter Professor Ernst Cohen mit dieser interessanten Krankheit
des Zinns ausführlich beschäftigt. Er hat in der "Revue des scienccs"
eine wertvolle Arbeit über „Die ansteckenden Krankheiten der Metalle"
veröffentlicht, aus der ich folgende Angaben anführe.
An einem etwa 25 kg schweren, kranken Zinnblock stellte Cohen
das Vorhandensein zweier gänzlich verschiedener Zinnarten fest,
die, zwar chemisch identisch, ihrer physikalischen Natur nach aber durch-
aus voneinander verschieden sind; es ist dies das gesunde, weiße und das
angegriffene, graue Zinn. Durch Experimente stellte der Gelehrte fest,
daß die Umwandlung des weißen in graues Zinn bei jeder Temperatur
unter -l- 18" C vor sich gehen kann, ferner, daß das Vorhandensein
einiger Krankheitskeime die Reaktion beschleunigt (Impfung). Ein
angegriffener Biock aus Bankazinn, der auf einer Temperatur von SOC
gehalten wurde, war nach etwa 3 Wochen über und über mit grauen
Warzen bedeckt. lm Laufe der fortschreitenden Krankheit bläht
sich das Zinn auf, zerspringt und zerfällt schließlich in feinen, grauen
Staub.
Nach den Cohenschen Versuchen ist es für den Kunstgewerbler
und Sammler antiker Zinnstücke wie Humpen, Teller, Schüsseln
u. dgl., die einen hohen künstlerischen und kulturhistorischen Wert
haben, wichtig, daß er seine Schätze dadurch vor Zerstörung bewahrt,
daß er sie in Räumen aufbewahrt-deren Temperatur nicht unter -i- 180 C
gehalten wird. Die vorhandenen Krankheitserscheinungen des Zinns
lassen sich von den befallenen Stücken nur auf mechanischem Wege
durch Abdrehen, Schmirgeln oder Schleifen entfernen und zwar muß
diese Einwirkung so tief greifen. daß die letzten Spuren der Zinnpest
endgültig entfernt sind.
Nach dem" Gesagten liegen die Gründe zur Erkrankung des Zinns
auf rein physikalischem Gebiete, während Korrosionserscheinungeu
ausgeschlossen erscheinen