niachte Affecte und wo mimische Bewegungen der
Gesichtsmuskeln starker in die Erscheinung treten,
wird den Figuren wohl der Vorwurf der Jiriinasse"
nicht erspart bleiben, indessen hat der Mimiker im
wesentlichen gearbeitet, wie der Künstler auch. Ist
dieser bestrebt in seiner Darstellung vom Beschauer
ohne weitere Erklärung verstanden zu werden, so gilt
dies vom Mimiker mindestens ebenso sehr. Er hat
sein Studium also auf die Abbildung des Gesichts,
hier also des eigenen, im Spiegel zu richten gehabt,
und aus diesem gelernt, wie er den Affect zu malen
hatte.
Dieser Vorgang ist seiner Entstehung nach wesent-
lich eine Sache der Erfahrung, man wird kein Rezept für
Darstellung des einen oder anderen Affectes angeben
können, sondern das Naturstudium, die scharfe Be-
obachtung der Umgebung dürfte allein das richtige
Versändniss dem Künstler bringen.
Immerhin wird die Vergleichung der hier durch
Photogramme wiedergegebenen Affecte, da es sich um
reiche, von einer kundigen Person gesammelte Er-
fahrungen handelt, wohl das Verständniss erleichtern.
Die mimischen Darstellungen Rylanders bei Dar-
win sollen Beispiele der Gebäirdensprache überhaupt
sein, es wurden daher keineswegs die Gesichtszüge
allein in Betracht gezogen, sondern die Haltung und
Stellung des ganzen Körpers sowie der Gliedmassen,
besonders der Hände, ja sogar die Bekleidung wurde
zur Steigerung des Aifectes verwerthet. Durch solche
Complicationen wird die Analyse des Vorgangs u11-
zweifelhaft erschwert.
Im Hinblick auf den Zweck glaubte ich hier auf
solche Zuthaten gänzlich verzichten zu müssen und
stellte nur Kopf und Hals in nnbekleidetem Zustande
dar. Dabei kommen wir mit Darwins drei grossen
Gruppen nicht viel weiter, da nur die erste derselben,
die verbundenen, nützlichen Gebärden in einer An-
zahl von Fällen noch deutlich erkenntlich wird, wah-
rend die zweite „die durch den Gegensatz (A11ti-
thesis Darwins) wirksamen Gebärden "t naturgemäss
fast gänzlich wegfällt, die dritte aber, die auf dem
Bau des Nervensystems selbst beruhende (Mitbeweg-
ungen und Reflexe) überall mit unterläuft und, wie
erwähnt, nur erfahrungsmässig mit einiger Sicherheit
festgestellt werden kann.
Zu den ererbten, durch das Nützlichkeitsprincip
vermuthlich entstandenen Triebbewegungen wären von
den hier dargestellten Affectionen an erster Stelle der
Ausdruck des Z ornes mit dem unwillkürlichen Zahne-
fletschen, den finster zusammengezogenen Augenbrauen
und dem scharf fixierenden Blick, der Verachtung
bei wenig geöffneten Augen, die den Beschauer von
oben herab betrachten, gekniffenen Lippen und ab-
warts gezogenen Mundwinkeln, des Ekels, wobei das
Zurückweichen vor einem verabscheuungswerthen Ge-
genstande und Reflexe, welche die Brechbewegung ein-
zuleiten pflegen, in den Gesichtsmuskeln kenntlich
werden, des SWIZGS, Wo der gewaltsam erhobene
Kopf mit dem in's Weite gerichteten Blick und den
energischen Contractionen auch den Gesichtsmuskeln
das anspruchsvolle Ausgreifen der Gedanken und die
Geringschätzung der Umgebung anzudeuten scheint.
Bei dem Andachtsgefühl richten sich die
Augen unwillkürlich nach oben, als wäre dort der
Gegenstand inniger Verehrung direkt sichtbar, auch
solche Bewegung können wir daher wohl als Trieb-
bewegung; auffassen, während sich gleichzeitig retlec-
torisch in dem ruhigen, tiefernsten Gesichtsausdruck
das Gefühl der Unterordnung unter eine höhere Macht
auspragt. Aehnlich verhalt es sich auch bei der Auf-
merksamkeit, nur richtet sich der Blick naturgemäss
direkt auf den zu beobachtenden Gegenstand mit fester
Fixierung und die ruhigen, leicht tonisch erregten
Gesichtsmuskeln lassen die Sammlung der Gedanken
auf einen bestimmten Punkt, offenbar wieder reüec-
torisch, erkennen.
Diese Ruhe fehlt durchaus beim Ausdruck der
Lüsternheit, wo die sinnliche Erregung durch stärkere
Muskelcontraktionen den Zügen einen fast krankhaften
Ausdruck verleiht, und der Blick der weit aufgerissenen,
auf den begehrten Gegenstand gerichteten Augen, ein
widerlich stierer wird. Der in Affect leicht geöffnete
Mund scheint sich zur Aufnahme der Labung oder
zum Küssen in sinnlicher Begehrlichkeit bereit zu
machen.
Sind hierbei immer noch Andeutungen von Trieb-
handlnngen zu bemerken, so könnte man Darwin zu
Liebe, den Ausdruck der Bescheidenheit, wie er
hier zur Darstellung gelangt, auch als Beispiel einer
sogenannten gegensätzlichen (antithetischen) Gebärde
auffassen. Die abwärts gesenkten Augen unter der
glatten Stirn, die uncontrahierten Lippen mit den
leicht, wie in Verlegenheit eingezogenen Mundwinkeln
scheinen das Bestreben auszudrücken, nur ja nicht
unangenehm aufzufallen, wie es die Gebärden des
Stolzes, der Verachtung, des 'l'rotzes und Eigensinnes
thun, also durch den Gegensatz zu wirken.
Der Ausdruck der Dummheit kann gewiss auf
sehr mannigfaltige Weise hervorgerufen werden; im
vorliegenden Falle, wo es sich um diesen Ausdruck
in einem von Natur intelligenten Gesicht handelt, wird
er durch die Unsicherheit des Blickes und die charak-
terlose Haltung der schlaffen Züge bewirkt, welche
das Fehlen jedes beherrschenden Gedankens und ein
gewisses ängstliches Gefühl möglicher schlechter Er-
fahrungen von Seiten einer geistig überlegenen Um-
gebung markiert.
In gewissem Sinne gilt dies auch von der Tru11-
kenheit; aber hier kommt die mangelhafte, durch
die Alkoholwirkung veranlasste Einstellung der Augen
hinzu, welche nicht gerade, wie Harless will, bis zum
deutlichen Schielen zu führen braucht, das durch
wässrige Ausscheidungen der Drüsen nschwimmenilef
Aussehen des Weissen in denselben und die wie zum
Ansetzen des Bechers leicht aufgeworfenen Lippen
hinzu. Wie mir scheint, ist hier dem Mimiker der
gewollte Ausdruck trotz der Einfachheit der Mittel
recht gut geglückt.
Misstrauen, Eigensinn, Feindseligkeit,
Trotz sind gemischte Gefühle, welche naturgemäss
kaum einen einheitlichen, allgemein verständlichen
Ausdruck finden können; hier wird das zu Grunde
liegende Gesicht, die gewohnheitsgemässe Haltung der
Züge und die subjective Auffassung des Beschauers
stets viel zur Deutung beitragen, die Entscheidung
also in besonders hohem Maasse zur Erfahrungssache
werden. Die hier gegebenen Figuren werden gleich-
wohl einigen Anhalt für eine effectvolle Darstellung
des einen oder anderen Ausdrucks bilden können.
Die übrigen noch auf den drei Tafeln eingefügten
Studien des Gesichtsausdruckes sind in ganz vor-
wiegendem Grade auf Reflexbeivegungen, also rein