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Gottesglauben wohl rühren. Zweifellos ist es für die Pflege
der Frömmigkeit sehr wichtig, Tempel zu haben, welche die
Seele wunderbar erheben, und sie mit Wohlgefallen und Be-
wunderung erfüllen. Erst dann, sagten die Alten, sei man
wirklich fromm, wenn man die Tempel der Götter häufig be-
suche. Deshalb möchte ich, daß der Tempel solche Schönheit
besitze, daß man sich gar nichts Prächtigeres ausdenken kann,
und ich wünsche ihn in jeder Beziehung derart ausgeführt,
daß die Eintretenden verblüfft erschauern in Bewunderung
all der Großartigkeit und sich kaum enthalten können, in
Ausrufen zu gestehen, es sei wahrlich ein für Gott würdiger
Ort, den sie erblicken.
Allzugroße Die Milesier haben einen Tempel erbaut, sagt Strabo, der
ntcgwrisgzä wegen seiner Größe ohne Dach blieb. Das billige ich nicht.
Es rühmten sich die Samier, daß sie den größten aller Tempel
hätten. Doch leugne ich nicht, er sei so anzulegen, daß er
kaum größer gemacht werden kann. Denn der Schmuck ist
etwas Unbegrenztes, und sogar bei ganz kleinen Tempeln
bleibt etwas übrig, daß er immer den Anschein erweckt, man
könne, ja man müsse etwas hinzufügen. Doch finden solche
Gotteshäuser meine Zustimmung, die man sich nach der Aus-
dehnung der Stadt nicht größer wünscht, ja durch ein zu weit-
läufiges Innere fühle ich mich abgestoßen. Doch zunächst
sollten die Tempel jene Eigenschaft besitzen, daß alles, was
sich dem Auge darbietet, derart sei, daß man nicht leicht etwas
Preiswürdigeres finden könnte, weder an Erfindung und
Kunstfertigkeit der Künstler, noch an Eifer der Bürger bei
Bestellung und Durchführung von besonders seltenen und
hervorragenden Werken, und auch nichts, das größer an An-
mut und Zier oder von unvergänglicherer Dauer sei. Hierfür
muß man sowohl bei allen anderen öffentlichen und privaten
Bauten, als insbesondere bei der Erbauung von Tempeln immer
wieder in erhöhtem Maße sorgen. Denn wenn ein so großer
Aufwand einmal gemacht wird, so muß er natürlich gegen die
finstern Schicksalsmächte so geschützt als möglich sein, daß