Volltext: Reihenhaus-Fassaden

Durchschnitt des Despotismus ist." Womöglich 
noch weiter als Goethe geht der englische Ge- 
währsmann der Romantik in der Architektur, 
John Ruskin, welcher die hier (S. 10) abgebil- 
dete Skizze einer gleichmäßigen bürgerlichen 
Straße der deutschen Stadt Münster gezeichnet 
hat und der schrieb: "Es gibt in der Tat in der 
Straßenarchitektur einen Reiz und etwas Heili- 
Rivoli 
Berlin 
Torso der -Wertheim-Fassade in der Leipziger 
Straße ahnen läßt. Nach der großen städte- 
baulichen Einheit strebte auch Weinbrenners 
der Kirchenbaukunst fehlen 
nicht allzuviel, daß die Men- 
Formen ihres Gottesdienstes 
ges, was selbst in 
muß. Es bedeutet 
sehen sich in den 
vereinigen, aber es ist etwas Großes, wenn sie 
sich wie treue Brüder in der Kunst und in den 
Aufgaben des 
schließen." 
täglichen 
Lebens 
ZLISHIIIIII G11  
Die hier vorgeführten guten Beispiele vonVerona, 
Bern, Münster usw. zeigen die Entwicklung von 
Lauben, Bogen- oder Säulenhallen, die als Mittel 
der Zusammenfassung und Vereinheitlichung 
künstlerisch ganz besonders da erwünscht sind, 
wo der begleitende Baumwuchs fehlt oder (wie 
z. B. bei den Berliner "Linden" von heute) in der 
künstlerischen Straßenformung nicht mehr die 
Hauptrolle spielt. Als wichtigster Einwand gegen 
die Überdeckung der "Bürgersteige mit Hallen 
in einer ihrer zahllosen wunderschönen Aus- 
Entwurf für die Karlsruher Lange Straße 
(Abb. 557), ein Entwurf, der sich an Kühnheit 
messen kann mit Michelangelos Vorschlag, die 
Florentiner Piazza della Signoria mit Wieder- 
holungen der Loggia dei Lanzi zu umgeben. Über 
diesen wichtigen Vorschlag Weinbrenners be- 
richtet Valdenaire in seiner Monographie des 
großenßaumeisters : „DieHauptabsicht desKün st- 
lers ging vor allem aber auf eine Umgestaltung 
der Langen Straße, der Hauptverkehrsader der 
Stadt, die durch ihr unruhiges Äußere vor allen 
anderen unangenehm auffiel. ,Ich kenne keine 
Stadt," schreibt er einmal, ,worauf schon so viele 
Millionen Privatvermögen, so viele Hunderttau- 
sende von Staatsgeldern in einem Zeitraum von 
14, Jahren verwendet wurden und die doch noch 
in ihrer Hauptpassage einen so widerlichen Ein- 
druck veranlaßt Wie Karlsruhef Da es schwierig, 
ja unmöglich war, die ,Fest- und Kommerzial- 
straße in ihrer buntscheckigen Mißgestalt von 
großen und kleinen Häusern, von Neubauten 
und Ruine-m durch den Abbruch störender 
gestaltungen galt lange die Verdunkelung der 
dahinter liegenden Läden. Es gab eine Zeit, in 
der behauptet wurde, daß die Säulenhallen, die 
in so vielen nordischen Städten den Straßen 
eigenartige Schönheit geben, dort nicht am Platze 
seien, sondern nach Italien gehören. So wurden 
z. B. die schönen Säulenhallen, mit denen Nash 
die Gehwege seines berühmten Quadranten 
in der Regent-Straße in London bedeckte, ab- 
gerissen (Abb. 52 zeigt den alten Zustand), weil 
sie nicht mit genügender Berücksichtigung der 
Lichtbedürfnisse entworfen waren. Sie wurden 
Bauten mit einem Male umzuwandeln, kam 
Weinbrenner auf den trefflichen Gedanken, 
,alle Häuser mit Mansarden, welche vorzüglich 
einen Übelstand für eine solche Hauptstraße" 
ausmachten, so umzuändern, daß er sie n1it 
einer dreistöckigen Arkade, ,deren er ebenfalls 
in der Hauptstraße zu Geneve und anderen 
Städten exequiert sahl, maskierte, wodurch ,die 
ohnehin etwas zu breite Straße zu einer der 
durch 
einheitlich 
durchlaufende 
Balkone 
zweiten Geschosse ersetzt, die immerhin einigen 
Regenschutz gaben. Die neueste Umgestaltung 
dieser Regent-Straße (vollendet 1926) wurde 
bereits erwähnt. Wie unerfreulich manche 
Einzelheiten 
der neuen 
sind, 
Fassaden 
bleibt 
Einheitlichkeit noch 
großen 
Rhythmus, 
Paris 
schönsten und vielleicht in Europa nicht ähnlich 
befindenden umgebildet würde". Und er glaubte 
sie ,mit geringem Aufwand und Abänderungen 
zu einem einzig in seiner Art hervorstechenden 
und bezaubernden Prospekt zu verwandeln, der 
zugleich den Vorteil der Vergrößerung der 
Wohnungen ohne Aufwendung eines zu großen 
Kapitals für die Hausbesitzer erweckte'. Die 
niederen, zweistöckigen Gebäude sollten um ein 
Stockwerk erhöht, die unruhigen Häuserfronten 
mit der Arkade, unter welcher der Fußsteig
	        
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