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Verbrämung mehrgeschossiger Bauten künst-
lerische Wirkung zu erzielen glaubt, erscheint
mir um nichts ehrwürdiger als die Ausschwei-
fungen der Treppe in der laurentianischen
Bibliothek zu Florenz oder als die dekorativen
Schwülstigkeiten der römischen Porta Pia.
Daß diese Dinge von Michel Angele stammen,
entschädigt nicht dafür, daß sie peinlich sind
und daß hohe Säulenordnungen mit dahinter
verstauten Geschossen heute leicht wirken
Fassade:
den nur
14. I VICENZA. PALAZZO CIIIEBIGATI
Gegensatz zwischen den freistehenden, tragenden und
als Fassaden Schmuck dienen den vorgeklebten Säulen
wie große, vieldurchlöcherte Käse, in denen
sich Maden einnisteten. Das Peinliche, das man
dabei empfindet, gehört wahrscheinlich in
dieselbe Klasse wie das, was Goethe verständ-
nämlich
Bewohnern
dahinter
verstauten
Räume das Gefühl von Gefangenschaft hinter den
Stäben eines Käfigs geben. Das Haus steht im Gehäuse.
Schon der antike Barock hat (z. B. in Balbeck) mit
Mischungen von kleinen und Kolossal-Motiven ge-
spielt. Die neuzeitliche Barockisierung mehrgeschos-
siger Gebäude mittels kolossaler Säulen erinnert
auch an die Notstandsbauten, die sich hinter den
Säulenreihen alterTempel einnisteten (Abbßö). Als
Michel Angele in seinem Entwurf für die Paläste
auf dem römischen Capitol die äußere Erscheinung
derartiger Notstandsbauten zu dekorativen Zwecken
nachahmte, verdiente er sich den Titel des „genialen
Maurermeisters", den ihm später Garnier, der Er-
bauer der Pariser Großen Oper, beilegte. Dieses viel
bewunderte und viel nachgeahmte michelangeleske
Barock, das bis zum Überdruß mit der Verwen-
dung der antiken Säulenhalle als "Motiv" zur
lich machen wollte, als er schrieb (Vicenza,
1 9.September 1 786): „Die höchste Schwierig-
heit, mit der Palladio, wie alle neueren Archi-
tekten, zu kämpfen hatte, ist die schickliche
Anwendung der Säulenordnungen in der
bürgerlichen Baukunst; denn Säulen und
Mauern zu verbinden, bleibt doch immer ein
Widerspruch". In einer anderen Fassung sagt
Goethe: "Säulen und Mauern zu verbinden
ist ohneUnschicklichkeit beynahe unmöglich."
W as Goethe dabei besonders vorschwebte, zeigt
ein Blick auf Abbildung 14; der Widerspruch
zwischen den freistehenden Säulen des Erd-
geschosses und der Flügelbauten gegenüber
den vor die Wand geklebten Halbsäulen des
mittleren Obergeschosses ruft unwillkürlicher
(aber unberechtigter) Weise die Frage wach,
0b etwa das mittlere Obergeschoß nachträg-
lich zugebaut worden ist, um einen geschlos-
senen Raum zu gewinnen, wie das bei alten
Palästen nur zu oft geschah.
Erträglich sind derartig rein ornamental ver-
wendete Säulen noch einigermaßen, wenn sie
mit wenigstens zwei Dritteln ihres Quer-
schnittes vor der Mauer stehen; unerfreulich
ist, wenn sie eingebaut wirken oder wenn
starke wagerechte Verbindungsstücke in den
heiligen Leib der Säule einschneiden und ihren
freivvachsenden runden Stamm zum Stütz-
15 I VICENZA. PALAZZÜ CHIERIGATI
Ansicht vom Korso, die das Vorgeschustexte der „ Fassade " zeigt
balken herabwürdigen, wie es hartgesottene
Nachahmer des (von seinem Bewunderer
Goethe deshalb getadelten) Palladio und des