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Sechster
gleiche Bewegung außerhalb Deutschlands in den Ländern, in die Miets-
kaserne und Stockwerkshäufung eingedrungen sind, und unsere deutsche
Gesetzgebung hat aus jenen Staaten namentlich aus Skandinavien
in nicht geringem Umfang Anregungen empfangen.
Durch den Verlauf des Weltkrieges hat die Siedelungsbewegung
eine wesentliche Verstärkung erfahren, und die siedelungstechnischen
Notwendigkeiten haben ihre Bedeutung stark gesteigert. Die wirt-
schaftliche Umgestaltung der Deutschland entgegengeht, zwingt unsere
Bevölkerung, die Eigenproduktion' an Nahrungsmitteln zu vermehren;
dies ist durch geeignete Siedelungsformen Kleinhaus mit Land-
zulage leicht erreichbar. Es hätte nicht soweit kommen dürfen,
daß die Verbindung unserer städtischen Bevölkerung mit dem Boden
in solcher absoluten Vollständigkeit zerschnitten wurde, wie es durch
das städtebauliche System der letzten fünf Jahrzehnte geschehen ist.
Ferner hat der Kriegsausgang zur Folge, daß für die nächste Zeit in
Deutschland im Gegensatz zu der seitherigen Entwicklung für
einen nicht geringen Teil der Erwerbstätigen die Rückkehr zum land-
wirtschaftlichen Beruf in Aussicht zu nehmen ist. Die Überleitung zu
wirtschaftsgemäßen Siedelungsformen ist erforderlich und stellt unsere
Verwaltung vor eine Reihe schwieriger und vielgestaltiger Aufgaben,
deren Bearbeitung auf verschiedenen Gebieten in Anspruch genommen ist.
Während für die Leitung der Ansiedelung die oben besprochenen
Organisationen in den Bundesstaaten allgemein vorhanden sind, wurde
durch die Reichsverordnung vom 29. Jan. 1919 die wichtige Frage-der
Landbeschaffung geregelt.
Gemeinnützige Siedelungsunternehmen im folgenden gemn.
sind in allen Bundesstaaten, soweit nicht bereits vorhanden, zu be-
gründen. Das gemn. beschafft in seinem Bezirk das erforderliche
Ansiedelungsgelände aus folgenden Quellen: 1. Staatsdomänen sind
bei Ablauf der Verpachtungsfrist dem gemn. zum Kauf anzubieten,
soweit nicht die Erhaltung im Staatsbesitze wegen öffentlicher Zwecke
notwendig ist. 2. Moor- und Ödland kann im Enteignungsweg be-
ansprucht werden. 8. Ein Vorkaufsrecht steht dem gemn. auf
landwirtschaftlichen Grundstücken im Umfang von 20 ha aufwärts zu.
Die Ausdehnung auf kleinere Grundstücke kann durch die Landeszentral-
behörde verfügt werden. 4. Landlieferungsverbande werden er-
richtet, die aus dem Bestands der großen Güter im Umfang von 100 ha
und darüber dem gemn. das zu Siedelungszwecken geeignete Land
beschaffen. Ein Landlieferungsverband ist in solchen Bezirken zu gründen,
in denen die großen Güter mehr als lßofo der landwirtschaftlichen Nutz-
fläche umfassen; seine Aufgabe ist erfüllt, wenn ein Drittel des
Großbesitzes für Siedelungszwecke bereitgestellt oder der Anteil der
Nutzfläche der großen Güter auf lOofo des Gesamtbestandes gesunken
ist. Dem Verband steht im Fall dringenden Bedürfnisses das Ent-
eignungsrecht zu. Das gemn. hat ein Wiederkaufsrecht