Bauord nun g.
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Auch bei der Randbebauung ist zwischen vielgeschossiger Aus-
nutzung und Flachbau zu unterscheiden. Es ist nicht möglich, bei ver-
tikal gedrängter Bauweise ruhige Innenhöfe für Kleinwohnungen
und Arbeiterwohnungen zu "schaffen. Die Innenhöfe bei der Randbebauung
unserer alten Städte waren ruhig, weil sie von Patrizierhäusern, Spei-
chern, Lagergebäuden umgeben waren. Die Übertragung der Eigen-
heiten der großen Hausformen auf die kleinen ist hier, wie überall,
fehlerhaft. Gewiß ist es unzutreffend, anzunehmen, daß ein Baustellen-
block. der von 200-300 Arbeiterfamilien in mehrstöckigen Gebäuden
umwohnt ist, ruhige Innenflächen gleich den Patriziergärten bieten
könne. Es handelt sich hier um eine der sogenannten Milderungen,
die die gedrängte Bauweise, um sich zu rechtfertigen, verbringt und
mit denen unser Städtebau seit Jahrzehnten immer wieder von seinen
notwendigen Zielen abgelenkt wird.
Zuerst wurde die „breite Straße" als eine Wohltat für die Be-
völkerung gepriesen (Städtische Bodenfragen, S. 5); später empfahl man
die breiten Innenhöfe. Weder das eine noch das andere kann die
Nachteile der gedrangten Bauweise für die Wohnungsgestaltung auf-
heben. Anders verhalt es sich natürlich bei niedriger Bebauung
(Flachbau) und bei dem Schutz von Flachbauzonen gegenüber dem Ein-
dringen vielstöckiger Hintergebäude; hier mag die Festsetzung rück-
wartiger Baulinien erforderlich sein. Der Glaube aber, daß durch die
hintere Baufluchtlinie die Stockwerkshäufung als solche bei Klein-
wohnungen erträglich gemacht werden könne, wird sich ebenso als irr-
tümlich erweisen, wie der Glaube an die zahllosen anderen Baubeschrän-
kungen, hygienischen Linderungsmittel und Surrogate, die der Reihe
nach zur Erhaltung der Stockwerkshäufung eingeführt wurden und,
außer der Verteuerung der Kleinwohnung, nicht allzugroße sichtbare
Erfolge gehabt haben. Man sollte doch allmählich erfahren haben, daß
es nicht richtig ist, die Menschen durch Stockwerkshäufung zusammen-
zudrängen, um eine breite Straße oder einen breiten Innenhof zu be-
kommenf Hierbei würde überdies, wie Sollmann, Kommunale Praxis
vom 8. Juni 1918 richtig bemerkt, der einzige angebliche Vorteil des
Stockwerkbaus, weniger Bodenflache zu beanspruchen, verloren gehen.
3. Die Aussonderung von Landhausbezirken. Durch die
Bauordnung kann vorgeschrieben werden, daß in einzelnen Bezirken nur
eine landhausmäßige Bebauung zulässig ist, wobei außer der Einhaltung
hder offenen Bauweise noch die Anlage größerer Freiflächen bis zu
zwei Dritteln der Grundstücksfläche angeordnet wird.
4. Die Aussonderung von Geschäfts- und Industrie-
bezirken und Eabrikvierteln. In den neueren Bauordnungen
sucht man die Wohnbezirke von störendem Geräusch dadurch freizu-
halten, daß man die Anlage von Fabrik- und geräuschvollen Betrieben
in den Wohnbezirken verbietet, dafür aber andere Bezirke für die An-
lage solcher Betriebe freigibt und durch Gewährung einer stärkeren
Ausnutzung der Grundstücke die Verlegung von Fabriken in diese Be-
zirke hegünstigt. Ferner wird mitunter die Herausbildung von Ge-