Vorwürfen und Ausschnitten als das Flachland. Zur wagerechten
Hauptlinie tritt im Gebirge zunächst die senkrechte Ausdehnung,
die sich je nach dem Standpunkte des Beschauers weit nach oben
oder unten fortsetzt. Dazu kommt eine größere Tiefe nach dem
Innern des Bildes, denn vertikale Landschaftsteile lassen sich
natürlich von oben wie von unten her auf viel weitereEntfernungen
überblicken, wie der bloße Vordergrund des flachen Erdbodens
oder des Meeresspiegels. Die Klarheit der Gebirgsluft bringt es
obendrein mit sich, daß man selbst die entlegensten Einzelheiten
zumeist in vollster Deutlichkeit vor Augen hat. Infolgedessen
läßt sich ein geschlossenes, einheitliches Motiv weit schwieriger
aus der Fülle der Erscheinungen ausscheiden, als in der nebligen
Atmosphäre der Niederungen oder im Rauchschleier der Städte.
Nun haben natürlich die Bergzüge aller Größen ihre Nebelzeiten
oder ihre Tage, an denen die Hitze eine duftige Unsichtigkeit ver-
ursacht, aber das charakteristische Merkmal des Gebirges, das
anderwärts nur höchst ausnahmsweise auftritt, liegt doch eben
gerade in der ungewöhnlichen Klarheit der Luft und dadurch
wiederum in den weiten Fernsichten.
Mehr als anderwärts verlangt also die Eigenart des Hoch-
gebirges für ihre Darstellung eine genaue Kenntnis aller Ver-
hältnisse, denn ästhetische Bedenken und die später zu berühren-
den photochemischen Wirkungen sind es nicht allein, die der
ernstlichen Ausübung der Photographie dort hindernd entgegen-
treten. Aus der Bo dengestaltung und den Witterungsverhältnissen
entspringen Hemmnisse und Gefahren, mit denen der Besucher
anderer Landschaften nicht im entferntesten zu rechnen hat,
und denen sich der Gebirgsphotograph nur sehr selten ent-
ziehen kann.
Es erscheint selbstverständlich, daß ein Photograph, der
Bilder aus der Gletscherwelt bringen will, dort persönlich mit
seiner Kamera eindringt; wer nur mit Fernobjektiv und langem
Kamerabalge die ins Vorland hinausleuchtenden Hochgipfel zu
sich herabholt, liefert keinen Beitrag zur Hochgebirgsphoto-
graphie. Um falsche Vorspiegelungen oder unnatürliche Ein-
drücke zu vermeiden, muß man in den Alpen, soweit es das Ge-
lände zuläßt, ebenso in die Reichweite normaler Objektivbrenn-
weiten herangehen wie anderwärts. Dabei genügt es zumeist
nicht, daß man den Führern von Beruf zur gewohnten Stunde und
auf den üblichen Touristenwegen nachzieht. Das Hochgebirge
will studiert und gekannt, geliebt und überwunden sein, ehe es
seinen Charakter offenbart. Die langsame, sorgfältige Arbeitsweise
über die unsere gro ßenLandschaftskünstler sonst beimWerdegange
ihrer Bilder berichten, hat erst recht für die Hochregionen mit