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das Publikum die Türen zu den Kellerräumen des Grand Cafe auf
dem Boulevard des Capucines 14 zu Paris. Ein unscheinbares Plakat
neben dem Eingang lud ein zum Besuch des „Cinematographe
Lumiere". Die Leute lasen diese rätselhaften Worte, gingen kopf-
schüttelnd vorüber oder einige wenige traten zweifelnd näher.
Eintritt pro Person I Frank. Die Vorführung dauerte etwa 20 Mi-
nuten; das Programm bildeten jedesmal etwa 8 bis 10 Filme von je
rund I6 bis I7 m Länge. Nach Beendigung der Darbietung sah man
die Besucher bestürzt oder ungläubig Wieder herauskommen; viele
hielten das gesehene Unwahrscheinliche für irgend einen faulen
Zauber. Manche gingen fort, suchten und trafen auf den umliegen-
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Abb. 36, 37. Der Cinömatographe von Lumiörc, 1895.
Der zur Aufnahme geschlossene Apparat Rückseite geöffnet; Einsetzen des Negativ-
mit Kurbel auf der Rückseite. filmstreifens zur Aufnahme.
den Straßen irgendwelche Bekannte, holten diese herbei und zeigten
auch" ihnen das unerhörte Schauspiel. Schon nach drei Wochen
bezifferte sich die tägliche Besucherzahl dieses kleinen Ur-Kinos
auf zweitausend bis zweitausendfünihundert Personen.
Einer der ersten Zuschauer berichtete in einer Zeitschrift vom
Januar 1896 über seine Eindrücke, die er beim Besuch dieser Vor-
führungen der Erfindung Lumieres empfing: „Eine unglaubliche
Wirklichkeitstreue! Wenn man diesen lebenden Bildern gegenüber-
sitzt, so fragt man sich unwillkürlich, 0b das eine Halluzination ist,
oder 0b man einfach nur zuschaut oder 0b man nicht in diesen Szenen
von erstaunlichem Realismus selbst mitwirkt. Bei der Hauptprobe
projizierten die Herren Lumiere eine Straße von Lyon. Ein Wagen