der Photographie
Ausdrucksmittel
heit, das allmählich allgemein herrschend wurde, gewesen sind. Heute ist
Charakter und Art des Negativs, in formaler Beziehung zum mindesten, für die
photographische Arbeit vom künstlerischen Standpunkt aus nicht mehr von
allein ausschlaggebender Bedeutung. Wir wissen jetzt, daß die Ausdrucksmittel,
die uns in den modernen Kopier- und Vergrößerungsverfahren gegeben sind,
für den künstlerischen Wert der Leistung von ungefähr ebenso großer Wichtig-
keit geworden sind.
Die Frage, ob scharf oder unscharf, ist von prinzipieller Bedeutung. Die S-Cllarfe fmd
unbarmherzig scharfe und deutliche Darstellung der unwichtigsten Einzelheiten, Welche Bnder
die mit dem photographischen Prozeß in um so innigerer Weise verbunden ist,
je besser und vollkommener die optischen Hilfsmittel geworden sind, ist künst-
lerisch nicht unbedenklich, und die Erkenntnis, daß in letzterer Beziehung nur
gewonnen werden kann, wenn das Nebensächliche unterdrückt wird, und wenn
durch die Wahl des Bildmaterials in bewußter Weise alles geschieht, um die
störende Aufdringlichkeit der Kleinigkeiten zu beseitigen, ist unzweifelhaft
richtig. Ob man hiermit schon im Negativ beginnen will, oder ob man diese
Arbeit des sogenannten Softens, wie auch des Vereinfachens und Zusammen-
ziehens ausschließlich in den Positivprozeß verlegen will, ist natürlich gleich-
gültig. Technische Mittel hierzu sind auf beiden Wegen vorhanden, und es handelt
sich nur darum, sie richtig und zielbewußt zu benutzen. Ob man ursprünglich
ein scharfes Negativ erzeugt, das alle Einzelheiten wiedergibt und diese dann
durch die Art des Kopierens bzw. Vergrößerns in, mehr oder minder weitgehender
Weise unterdrückt, oder ob man schon im Negativ eine Zusammenfassung des
Wesentlichen unter Beseitigung des zufällig Kleinlichen erstrebt, ist prinzipiell
vollständig gleichgültig. Der Erfolg ist das allein Entscheidende.
Die Frage, ob es künstlerisch an sich selbstverständlich ist, im Sinn der
Vereinfachung den photographischen Prozeß zu handhaben, ist aber prinzipiell
ebenfalls nicht sicher zu beantworten. Jede Art der bildenden Kunst hat ihre
eigenen Darstellungsmittel und -möglichkeiten. Der Aquarellist arbeitet mit
vollkommen anderen Mitteln und Techniken als der Ölmaler, dieser wieder an-
ders als der Radierer und Steinzeichner. Es ist nicht zu billigen, wenn der Künstler
nicht die Technik des von ihm gepflegten Verfahrens zu ihrem Rechte kommen
läßt, und wenn er vergißt, daß die irgend einem Darstellungsmittel eigene Technik
ihre Berechtigung in sich hat. Eine Photographie wird daher niemals dadurch
zum Kunstwerk werden können, daß sie die Techniken anderer bildender Künste
nachzuäffen sucht. Sie muß ihren eigenen Stil in Gemäßheit der benutzten tech-
nischen Mittel entwickeln, und ihre Erzeugnisse werden um so wertvoller sein,
je mehr sie, immer künstlerischen Inhalt vorausgesetzt, sich ihrer eigenen Technik
bewußt bleibt und diese selbständig zu entwickeln sich bestrebt.
Ob scharf oder unscharf ist zwar heute keine Streitfrage mehr, aber so
viel ist sicher, daß die Photographie die Berechtigung hat, beide Wege zu gehen,
und daß innere Gründe dafür sprechen, auch in der Photographie aus den gleichen
Gründen, die der Maler geltend machen kann, auf die Darstellung des Neben-
sächlichen zu verzichten. Daß dies auch für die Photographie berechtigt ist,
geht schon aus der Natur ihrer technischen Mittel hervor. Durch Benutzung der