KAISER
WILHELM
KANAL
SEINE
WIRTSCHAFTLICHE
BEDEUTLING
Kanalamt
KIELER
VERKEHRSFRAGEN
a) Der KaisereWilhelm-Kanal und seine
wirtschaftliche Bedeutung
Von Oberregierungsbaurat Wulle, Kiel
Die Stadt Kiel hat als Schiffahrtsstadt ihr Gesicht
anfänglich nur der Ostsee zugewendet. Der Weg
zur Nordsee stand zwar offen, führte aber durch die her.
engten dänischen Gewässer und um Jütland mit dem
stürmereichen Skagen; er war weit und gefährlich und
wegen der zahlreichen Schiffsuntergänge berüchtigt
damals bei den kleinen Segelschiffen noch viel mehr als
jetzt, wo meist größere Schiffe, und zwar überwiegend
Dampfer oder Motorschiffe, verkehren. Zudem bot der
Handel mit den deutschen und fremden Küstengebieten
der Nordsee bis zum Ausgange des Mittelalters noch
wenig gute Möglichkeiten und keinen starken Anreiz.
Die wirtschaftliche Entwickelung der Ostseegebiete und
insbesondere der nähergelegenen Nordseegebiete mit
Hamburg, Bremen, Holland und England, wo Schiffahrt
und Handel auch durch die großen überseeischen Ente
deckungen mächtig angeregt wurden, lenkte die Blicke
und Wünsche weitschauender Staatsmänner und Kaufe
leute in der Neuzeit bald immer stärker auf eine kurze
und sichere Schiffahrtsverbindung zwischen Ostsee und
"Westsee". Eine solche mußte eine möglichst weit im
Süden liegende Durchquerung der schleswigeholsteie
nischen Halbinsel selbst zum Ziele haben, die mit ihren
tief ins Land einschneidenden Buchten und Flufämüne
düngen offensichtlich dazu einlud. Um 1571 verfolgte
Herzog Adolf I. von Holstein, der Gründer der Gottor-
per Linie, ernstlich den Plan eines Schiffahrtskanals vom
Kieler Hafen nach der Eider.
Aber erst mehr als 200 Jahre danach fand dieser Plan,
dem manche ähnliche folgten, seine Erfüllung in dem 1784
eröffneten „schleswig-holsteinischen" oder
"Eiderkanal", zu einer Zeit, da Schleswig-Holstein
mit Dänemark noch durch Personalunion verbunden war.
Der Eiderkanal, der die erste wirkliche Seeschiffahrts-
Straße quer durch die zimbrische Halbinsel ergab, hatte
3 m Wassertiefe und verband die Kieler Förde mit dem
jchirnauer See, einem Obereidersee bei Rendsburg, wo
eine Schleuse, die Sechste von Kiel aus, mit der unter"
eider verband, die als Tidefluß die weitere natürliche
Verbindung mit der Nordsee bildete. Hundert Jahre
lang hat dieser Schiffahrtsweg der Schiffahrt und auch
dem Lande großen Nutzen gebracht. Die Absicht der
dänischen Kreise war allerdings dahin gegangen, daß
allein die dänische Flagge auf dem Kanal gesehen wer'-
den sollte; doch entwickelte sich bald sein Verkehr dank
seiner auch für andere seefahrttreibende Staaten günsti-
gen Lage nicht in so einseitiger Weise.
Um die Mitte des 19. Jahrhunderts empfanden die
Handel und Schiffahrt treibenden Kreise jedoch gegen-
über der Zunahme der Seeschiffe und namentlich der
Dampfschiffe immer mehr die Beschränkungen, die der
Eiderkanal durch seine Abmessungen, scharfen Krüm-
mungen und zahlreichen Schleusen dem Verkehr auf-
erlegte, wozu noch ähnliche Erschwernisse auf dem
Untereiderlauf kamen; sie drängten immer wieder auf
eine leistungsfähigere Verbindung. Viele Vorschläge
wurden gemacht und viele Entwürfe aufgestellt. Aber
erst nachdem die dänische Herrschaft in Schleswig-
Holstein verschwunden und das neue Deutsche Reich
errichtet war, konnten diese Bestrebungen, an denen zue-
letzt der Hamburger Reeder Dahlström hervorragenden
Anteil hatte, Aussicht auf Erfolg haben. Schliefälich
kam das langerstrebte Werk zustande, begünstigt durch
die Forderungen der erstarkenden deutschen Kriegs-
marine und gefördert durch Kaiser Wilhelm I, und
Bismarck.