Volltext: Rationeller Wohnungsbau

Grenzen 
der 
Hochbaunormung 
Gegner der Normung weisen gern und viel- 
fach nicht mit Unrecht darauf hin, daß die 
Normung leicht zu einem öden Schematismus 
des Wohnungsbaues führen kann. Es ist sicher- 
lich unerwünscht, daß eine genormte Hausform 
in endloser Reihe immer wiederholt wird. Eine 
solche geistlose Reihung ist aber auch nicht 
ein Ziel der Normung, vielmehr muß das Zu- 
sammenfügen der Häuser durch die Hand eines 
geschickten Architekten und Städtebauers erfol- 
gen, der durch Gruppierung der Hausreihe und 
dem Straßenraum ein besonderes Gepräge geben 
und durch Form, Farbe und Schmuck die ein- 
zelnen Häuser freundlich gestalten kann. Es 
ist durchaus möglich, das rein Technische des 
Wohnungsbaues, den Grundriß, den Aufbau und 
die einzelnen Bauteile aufs wirtschaftlichste zu 
normen, im übrigen aber das Haus im Innern 
und Äußern durch Farbe und Schmuck zu be- 
leben und einzeln zu betonen. Farbiger Anstrich 
der Fenster, Außentüren und Fensterladen, die 
Gestaltung der Haustüren und ihres Beschlages, 
die Durchbildung von Fenster- und Türvergitte- 
rungen, schmiedeeisernen Brüstungsgeländern, 
Gesimsen, angetragenen Schmuckteilen und Um- 
rahmungen der Haustür, die Behandlung des 
Außenputzes, die Anordnung von glatten oder 
profilierten Fensterumrahmungen, die Ausfüh- 
rung von Putzbau oder Ziegelrohbau oder auch 
von Kombinationen des Ziegelrohbaues mit dem 
Putzbau, die Eindeckung der Dächer mit roten 
oder grauen Dachziegeln (in Form von Pfannen 
oder Biberschwänzen, doppeltes oder Krondach) 
oder auch mit deutscher oder englischer Schie- 
ferdeckung, gegebenenfalls mit Schindeln, Stroh 
oder Reth, runde oder ovale Fenster für Trep- 
pen- und Nebenräume, gerade oder gebogene 
Stürze der Haustüröffnung, Einzeldurchbildung 
der Schornsteinköpfe und Dachausbauten  all 
diese Dinge bieten reiche Möglichkeiten, auch 
genormte Häuser in ihrer äußeren Erscheinung 
liebenswürdig und bis zu einem gewissen Grade 
individuell zu gestalten, ohne daß dadurch die 
rationelle Zweckform des genormtes Hauses, 
d. h. der aufs wirtschaftlichste durchgebildete 
Grundriß und Aufbau beeinträchtigt zu werden 
brauchen. Es sind leider in den letzten Jahren 
vereinzelt überaus öde, schematische und lang- 
weilige Siedlungen ausgeführt worden, die von 
der weiteren Ausführung genormter Häuser 
abschrecken könnten; aber im Gegensatz zu 
diesen unerfreulichen Wohnquartieren bewei- 
sen die ausgezeichneten Arbeiten der Mebes, 
Schmidthenner, Tessenow, Muthesius, Metzen- 
dorf, Bonatz, Kießlig, May, Wolf-Münster, 
Taut, Salvisberg, vieler sonstiger Architek- 
ten, Wohnungsfürsorgegesellschaften, vieler 
Industrieunternehmungen und Stadtverwaltun- 
gen, daß es durchaus möglich ist, genormte 
Häuser auszuführen und trotzdem der ganzen 
Siedlung und dem einzelnen Hause ein beson- 
deres Gepräge sowie eine behagliche Erschei- 
nung zu verleihen. Die Durchführung großer 
Siedlungen muß daher, auch wenn es sich um 
den Bau von Häusern, die in ihrer technischen 
Form durch etwaige Reichsnormung festgelegt 
sind, handelt, in die Hände geschickter Archi- 
tekten gelegt werden. Wie oben geschildert, 
geben die verschiedenen Baustoffe, die Farben 
und kleinen Schmuckteile aus Stein, Holz oder 
Metall reichlich Gelegenheit, auch genormte 
Häuser freundlich und individuell auszugestalten. 
Diese vielen Gestaltungsmöglichkeiten werden 
den tüchtigen Architekten dazu führen, sehr 
sorgfältig in jedem einzelnen Falle zu prüfen, 
welche der architektonischen Möglichkeiten er 
anwenden soll; schon aus wirtschaftlichen, aber 
auch aus künstlerischen Gründen wird er sich 
eine weise Beschränkung auferlegen müssen. 
Daß in einem Straßenzuge eine einheitliche 
Durchbildung der Dächer und Hauswände in 
Material und Form erwünscht ist, braucht nicht 
besonders hervorgehoben zu werden. Leichte 
Varianten in der Farbe oder Struktur der Haus- 
wände sind oft günstig, wenn dafür gesorgt 
wird, daß der Lichtwert der einzelnen Haus- 
farben nahezu der gleiche und die einheitliche 
Erscheinung der Straßenwand gewahrt bleibt. 
Weniger erfreulich ist es, wenn Hausfronten von 
ganz verschiedenen Farb- und Lichtwerten in 
einer Straßenreihe nebeneinander angeordnet 
sind, wenn z. B. eine dunkelblaue Wand neben
	        
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