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Beifpiele.
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Symbolifche
Gedanken.
umgebe die Bauten mit einer NVülte, {telle fie wie eine Statue auf eine ebene Fläche. Namentlich
die Kirchen feien folehen übertriebenen Ehrungen (exrä: dVmnneur) ausgefetzt: ödes Pliafter fei
an Stelle der fchattigen Kirchhöfe getreten, die alten Fufsfteige feien unter dem Trottoir ver-
fchwunden, die alten Kirchenmauern zittern vom Stofs der über das Pflafter fahrenden Wagen,
während früher ein achtunggebietender Ring die Kirche vom Lärm der Stadt fonderte. Die
alten Kathedralen bildeten einen Mittelpunkt der Stadt; aber fie fmd nicht eiferfüchtig genau in
der Mitte; fie umgeben fich mit Anbauten.
Cluquel verwendete fich i897'dafür, dafs an das nördliche Seitenfchiff der Kathedrale zu
Tournay ein Poitgebäude angebaut werde. Die {taatliche Bauverwaltung wollte jedoch die Kirche
freigelegt fehen. Cloquet vertrat noch 1902 lebhaft den Gedanken, dafs kleine, vielgegliederte
Bauten andie Kirche herangerückt werden müffen, dafs diefe fie nicht fchädigen, fondern in
der Wirkung fteigern.
Bekannt find die Beftrebungen, die jetzt in einer trotz gärtnerifcher Aufteilung doch wüften
Fläche liegende Votivkirche in Wien einzubauen, indem vor ihr ein dreieckiger, von Wohnhäufern
umgebener Platz gefchaffen werden follte.
Ein weiteres Beifpiel aus der Gegenwart ift die traurige Verwüflung, die um die Kathedrale
zu Metz angerichtet wurde. Dort hatte das XVIII. Jahrhundert kleine Bauten, Läden und Woh-
nungen darüber an die Südfaffade angebaut, davor einen {tattlichen Platz mit anftofsenden Monu-
mentalbauten errichtet. Diefe verdeckten die unteren Teile der Strebepfeiler und liefsen den
gewaltigen Aufbau darüber frei. Die Wirkung war aufserordentlich grofsartig. Vor die Wefifront
war ein zweiter Platz gelegt und diefe durch ein im Stil des XVIII. Jahrhunderts gehaltenes
mächtiges Tor von hervorragender Schönheit ausgezeichnet. All dies wurde ohne Grund ab-
geriffen und durch vftilvolle: Neubauten erfetzt. Damit wurde die Gefchichte des Baues ver-
leugnet und diefer felbft blofsgeftellt.
Befonders traurig {ind die Blofsltellungen in Würzburg. Die Bauten zwifchen Dom und
Neumünfter wurden abgebrochen und damit beide Bauten in ihrer Wirkung in beklagenswerter
Weife heruntergebracht.
Die Aufzählung folcher Mifsgriffe liefse {ich leicht um viele Beifpiele vermehren. Doch
mögen die erwähnten als zur Vorficht mahnend genügen.
Die Stadt Dresden forderte von mir ein Gutachten darüber, ob an Stelle der zum Abbruch
kommenden Häufergruppe füdlich von der Kreuzkirche wieder Bauten aufgeführt werden follten
oder nicht. Ich wies darauf hin. dal's die Seitenfront der Kirche für einen Platz von befcheidener
Breite berechnet fei; dafs {ie ungünftig wirken werde, wenn man das unmäfsig hohe Dach fehe;
dafs man aber dahin wirken folle, dafs breite Einblicke nach Turm und Chor von der Ringltrafse
möglich feien, fo dafs man hier den Bau bis auf den Sockel herunter in feiner ganzen Höhe
fehen könne, wie dies vom Altmarkt her der Fall ift. Das durch Abbruch gefchaffene Bauland
folle man aber wieder verbauen und dabei für gefchloffene Wirkung des Kirehplatzes forgen.
Die Freilegung der Kirche hängt oft mit fymbolifchen Gedanken zufammen. Der Kirchen-
bau {tellt fymbolifch die Kirche dar, wenigitens nach katholifcher Auffaffung. Sie fei ein in {ich
gefchloffenes Ganze, das {ich in überfichtlicher Gröfse und doch überfinnlieher Erhabenheit auf-
baut. Sie fei ein Widerfchein des Himmlifchen, das {ich lostrennen foll vom Irdifchen und
namentlich dem Gläubigen den Eindruck der Erhabenheit über das Irdifche hinaus erwecken
foll. Dafs die Kirche ein anderes fei als jeder fonftige Bau, folle klargelegt werden.
Tatfächlich wurde aber zu allen Zeiten die katholifche Kirche eingebaut. Der Dom, die
Klofterkirche hatten ihre Kreuzgänge, Kapitelhäufer, Sepulturen, Refektorien. Nur die Pfarrkirchen
{landen vereinzelt nicht aus äflhetifchen Rückfichten. Sowie die Geiltlichkeit grofs genug war,
um {ich zu einem Stift zu vereinen, fchuf auch {ie jene Nebenbauten, die für das gemeinfame geilt-
liche Leben nötig find. Regel war, dal's dort, wo geiftliche Bauten gebraucht wurden, diefe nicht
getrennt, fondern im Zufammcnhang mit der Kirche entftanden. Kapellen, Betltübchen, Emporen-
treppen lehnten {ich an den Bau an. Der Opferdienft veranlafste Händler, ihre Buden am Fufs
der Dome zu errichten; bald wurden diefe ftändige Einrichtungen: kleine Häufer drängten üch
zwifchen die Strebepfeiler des Münfters; {ie wuchfen oft in mehrere Gefchoffe empor. Das Bild
der mittelalterlichen Kirche nämlich das echte Bild ift nicht das des Alleinitehens, fondern
des innigften Veriiochtenfeins mit dem Volksleben.
Erft der wKunftfmnw und fein Ergebnis, die ßStilkundea, haben dies geändert. Während
jeder Reifende mit Entzücken davon redet, dafs im Süden das Volk der Kunft noch nahe {teht,