176
LIEISENSTEIN,
Burg
Liebenstein.
erweist, wie der Westbau; der ganze Südbau ist es wohl auch. An der Westwand
ist eine frühere Oeifnung jetzt zum grössten Theil verschüttet. An der Nordwand
führt die vorher genannte Spitzbogen-Thür vom Westbau herein, auf dieser Seite
in den Kanten abgeschrägt. Links von dieser Thür tritt aus der Mauer, etwa 1 m
über dem jetzigen Fussboden, ein (zylindrischer Stein, mit Zapfenloch unten ver-
sehen, heraus, welcher also als Angel für die darin sich drehende Holzsäule eines
Thorflügels gedient haben muss. Dieses Thor muss viel tiefer herab gegangen
sein als der jetzt aufgeschüttete Erdboden; der Thorflügel kann ferner nur zu einem
an der Nordseite oder an der Westseite des jetzigen Südbaues liegenden Thor
gehört haben, und, da sich ersteres wegen der hier befindlichen Thurmmauer ver-
bietet, ergiebt sich, dass dieses Thor sich zwischen der westlichen Fortsetzung der
Thurm-Südmauer und dem kleinen, ihm zur Deckung dienenden Rundthurm gestanden
hat. Demnach muss die jetzige, gegen die alte Thormauer etwas nach Westen
verschobene Westmauer des Südbaues, also der ganze Südbau selbst erst errichtet
worden sein, als dies Thor eingegangen war. Das verschwundene Thor hingegen
ist seiner aus dem Angelstein bemessbaren Grösse und seiner Stellung nach als
dasjenige anzusehen, welches den eigentlichen Eintritt in den Burghof vermittelte.
Es muss aber auch das Erdreich in der Zeit der Burg-Anlage hier tiefer gewesen
sein, also stieg der Weg vom Rundthurm an, d. h. hier von Westen nach Osten,
bis er die Höhe des Burghofes erreichte. (Alle diese Schlussfolgerungen werden
durch die Schutt-Anhäufung und schlechte Zugänglichkeit, durch Dunkelheit und
andere Hindernisse erschwert, wie sie solch ein in verschiedenen Perioden her-
gestellter, umgeänderter und dann wieder verfallener Bau mit sich bringt. Durch
planmassig längere Untersuchung mit Aufräurnung und Grabung würden sich wohl
noch genauere und interessante Ergebnisse gewinnen lassen.) Die Ostmauer des
Südbaues ist demnach für die Zeit, wo das Thor noch bestand, fortzudenken, weil
sie die Verbindung gestört hätte; sie ist auch in der That ohne Anschluss an
die Mauern, zwischen denen sie liegt, nachträglich eingeschoben. Sie hat zwei
Oeifnungen, südlich eine ohne Scheitelfuge hergestellte Spitzbogen-Thür mit Kanten-
Abschrägung und daneben noch eine grosse Flachbogen-Thür. Die letztere ist
wohl die bei der Anlage des Südbaues, die in das 17. Jahrhundert zu setzen sein
dürfte, hergestellte, die erstere, wenigstens in ihrer jetzigen Form, Erzeugniss der
Restauration von der 1. Hälfte unseres Jahrhunderts. Das Obergeschoss des
Südbaues, jetzt ohne Dach und Decke, mit Gras und Bäumen bewachsen, zeigt an
der Nordseite neben der iiachbogigen Thür, welche es mit dem Westbau verbindet,
noch eine Rundbogen-Blende, welche schon in die Thurm-Mauer fallend, vor der
Errichtung des jetzigen Südbaues vorhanden gewesen sein dürfte (als Fenster?)
An der Südwand entspricht ihr eine ebensolche Blende in der (ebenfalls älteren)
Mauer zum Vorplatz, in welcher einst ein jetzt zerstörtes, grösseres Fenster war;
weiterhin zu den Seiten des rund einspringenden Thurmes ist die Mauer, wie der
Thurm selbst verschwunden. An der Westwand befand sich wohl eine von einer
Treppe im Thurm aus vermittelte Eingangs-Thür in dies Geschoss. Die Ostwand
hatte eine grosse Flachbogen-Oelfnung.
So enthält die Ruine eine Reihe bemerkenswerther Einzelheiten. Im Ganzen
stellt sie sich nur von bestimmten Punkten aus interessant dar, bietet aber zumal
im Innern der Höfe und Räume so manche malerische und romantische Blicke,